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Reha-Beendigung nach beginnenden Erfolgen

Kategorie: Neurologie » Expertenrat Schlaganfall | Expertenfrage

14.05.2011 | 02:12 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Frommelt,

Mein Vater (86) hatte vor 2 Monaten einen Schlaganfall mit nachfolgender Lungenentzündung, sodass sein Gesamtzustand sich jetzt erst seit 2 Wochen soweit besserte, dass er aktiv an Rehamassnahmen teilnehmen konnte. Auf Basis dieser Besserung hatte ich mit einem detaillierten Schreiben (27.4.) an die Rehaklinik eine Verlängerung der Reha bis zum 23.5. erreicht. Das führt nun aktuell zu seitens der Ärzte bestätigten erheblichen Erfolgen.
Dennoch hat die Klinik entschieden die Reha zum 23.5. endgültig zu beenden. Das ist für alle Verwandten und Bekannten meines Vaters nun völlig unverständlich. Wir alle haben die sowohl kognitiven als auch physischen Verbesserungen der letzten Tage mit großer Hoffnung wahrgenommen und sind den Ärzten auch dankbar. Aber keiner von uns kann auch nur im mindesten verstehen, warum die Klinik die Reha in dem Moment beendet, in dem sich die ersten Erfolge einstellen. Kennen Sie einen solchen Fall oder können sie sich den Grund erklären ?
Ich hatte der Klinik vor 3 Wochen ein detailliertes mehrseitiges Schreiben zum bisherigen Krankheitsverlauf aus Sicht der Angehörigen vorgelegt und sehe jetzt keinen Weg mehr was ich darüber hinaus noch tun kann.
Kurzgefasst weitere Daten des Falls:
- 3 kleine Schlaganfälle am 15.3.2011 mit der Folge partieller kognitiver Einschränkung und linksseitiger Lähmung. Die Ursache war Vorhofflimmern des Herzens.
- Verlegung in Reha am 25.3.2011; beginnende Erfolge aber dann aufflammende Lungenentzündung.
- am 5.4. Einlieferung in ein Krankenhaus für Innere Medizin, sehr schwere Lungentzündung, erfolgreiche Heilung
- am 14.4. Rückkehr in die Rehaeinrichtung. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt aber wegen der vorausgegangenen Behandlung extrem geschwächt und benötigte Rekonvaleszenz. Bemühungen von Physiotherapeut und Logopäden scheiterten zunächst an der Kraftlosigkeit des Patienten.
- erst seit dem 27.4. bessert sich der Zustand meines Vaters von Tag zu Tag

Meiner Meinung nach kann man unter diesen Umständen nur von einer jetzt 18 Tage währenden REHA sprechen, die am 23.5. beendet werden soll obwohl sie jetzt äusserst erfolgreich ist. Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund weshalb die Klinik trotzdem nicht fortsetzen darf ? Kann ich mich an eine andere Einrichtung wenden ?
Die Alternative wäre der Wechsel in ein Pflegeheim am 23.5., da meine selbst in ihrer Mobilität eingeschränkte Mutter ihren Mann unmöglich zu Hause pflegen kann. Ich sollte hinzufügen, dass mein Vater bis zum 15.3.2011 Haus und Garten vollständig selbst verwaltet und gepflegt hat. Er war bis zu diesem Zeitpunkt ungewöhnlich fit für sein Alter und hat auch mit dem eigenen Auto alle Einkäufe und Besorgungen erledigt.

mit freundlichem Gruß

p.s.: gern kann ich Ihnen eine Kopie meines äusserst detaillierten Schreibens an die Klinik vom 27.4. persönlich zukommen lassen

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17.05.2011, 09:53 Uhr
Antwort

Guten Morgen,
als Familie engagieren Sie sich großartig für den Vater. Es ist schön zu hören, dass er solche Fortschritte gemacht hat. Ich kann verstehen, dass es bedauerlich ist, wenn die Reha jetzt abgebrochen wir. Meine Erfahrung sind es häufiger die Kostenträger, die Krankenkassen, die den Zeitraum begrenzen als die Kliniken selbst. Es gilt für den Aufenthalt die Grundregel: Reha vor Pflege. So wie sie es schildern, wird diese Reihenfolge umgekehrt.
Mein Vorschlag: erkundigen Sie sich beim Chefarzt der Klinik nach den Gründen des vorzeitigen Reha-Abbruchs. Wenn Sie eine Vollmacht für den Großvater haben, legen Sie beim Kostenträger für ihn einen Widerspruch gegen die Entlassung ein. Die Verlegung in eine andere Einrichtung würde eine Belastung für ihn bedeuten. Sie können sich auch an die staatliche Einrichtung der Patientenberatung wenden, wenn Sie mit Ihren Bemühungen auf Ablehnung stoßen. Das Sozialgesetzbuch legt fest, dass ein Recht auf Rehabiltation besteht, wenn die Teilhabe am Leben gefährdet ist und wenn eine positive Rehabilitationsprognose und eine Rehabiltationsfähigkeit bestehen. Beides liegt bei Ihrem Vater vor.

Viel Erfolg, lassen Sie mich das Ergebnis wissen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Frommelt

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19.05.2011, 03:25 Uhr
Antwort

Sehr geehrter Herr Dr. Frommelt,

Vielen Dank für Ihre positiven Worte.

Ich stelle fest, dass ich etwas an den Standards der Verwaltungsvorgaben scheitere, die mir erst langsam einsichtig werden. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass die Ärzte der Klinik meines Vaters ihr Bestes tun. Es gibt aber eine Abweichung in der Beurteilung der gesundheitlichen Fortschritte zwischen meinem Blickwinkel und dem der Station. Das wiederum hat offenbar 2 Ursachen:
1.) Ich beurteile subjektiv aus Sicht eines Angehörigen und nehme diejenigen Veränderungen meines Vaters wahr, die ich für bedeutsam halte. Diese sind für mich erheblich. Die Ärzte shen das Ganze aber sehr viel neutraler, aus medizinischer Sicht und sind zudem offenbar dem Fragenkatalog des MDK unterworfen. Daraus entsteht eine standardisierte Patientenbeurteilung, die nur sehr bedingt mit meiner Wahrnehmung vom Vater übereinstimmen mag (mir liegt allerdings nichts schriftliches vor)
2.) Für mich hat subjektiv der psychische Gesamtzustand offenbar einen viel höheren Stellenwert als für die Ärzte. Ich ging bisher davon aus, dass Hauptziel der Reha die Wiederherstellung des klaren und präzisen Verstandes ist, über den mein Vater bis zum 15.3. verfügte. Selbstverständlich habe ich auch Wiederherstellung des Gehvermögens und normalen Essens (statt Sonde) als wichtiges Ziel der Reha gesehen - aber nicht vorrangig. Die Ärzte sehen die Rehaziele offenbar umgekehrt. Im Vordergrund steht demnach die Wiederherstellung der Motorik und die Wiederherstellung von Geistesfunktion wird nur als willkommenes, aber sekundäres Mittel zum Zweck eingestuft.

Die Reha wurde inzwischen bis zum 3.6. verlängert. Da die Beurteilung aber auf Basis nur der motorischen Entwicklungen erfolgt, kann es sein, dass für diese Anforderungen mein Vater nicht schnell genug Schritt hält um eine nochmalige Verlängerung zu erreichen. Er ist zwar motiviert und war immer im Leben auch körperlich aktiv - aber man muss einfach sehen, dass im Alter von 86 Jahren der Muskelaufbau und die Wiederentwicklung körperlicher Fitness nach schwerer Krankheit nicht so schnell erfolgt, wie es die Durchschnittsanforderungen des MDK möglicherweise voraussetzen. Realistisch betrachtet bringen 3 Wochen weitere Reha in diesem Fall nicht viel. Mein Vater könnte möglicherweise nach 3-6 Monaten Reha wieder laufen - nicht jedoch nach 3-6 Wochen.

Ich vermute, dass ich mich mit dem Gedanken beschäftigen muss, wie man in einem Pflegeheim begleitende Rehamassnahmen veranlassen kann. Etwas unverständlich für mich ist, dass dabei eigentlich ein inhaltlicher Widerpruch entsteht. Wie kann die Kasse im Pflegeheim Rehaleistungen bezuschussen, wenn doch gerade erst die dafür vorgesehene Reha beendet wurde ? Muss ich davon ausgehen, dass die Beendigung der Reha auch die Beendigung der Unterstützung durch die Krankenkasse bedingt ?

Aus meiner Sicht gelingt es den betroffenen Institutionen (Klinik, Kasse, MDK, Pflegeversicherung) im Fall meines Vaters nicht eine nachhaltige übergreifende Planung zu entwerfen, die alle Massnahmen der nächsten 6 Monate koordiniiert. Für mich wirkt es wie ein Puzzle, bei dem ich aus begrenzt verfügbaren Elementen mit begrenztem eigenen Fachwissen versuchen muss eine irgendwie brauchbare Planung zu entwickeln.

mit freundlichem Gruß

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19.05.2011, 06:41 Uhr
Antwort

zusätzliche wichtige Ergänzung:

mein Vater wurde am 13.5. von Phase B der Rehabilitation in Phase C umgruppiert. Bedeutet das nicht eigentlich, dass die aktive Rehabilitation nun erst beginnt und nicht schon am 3.6. wieder enden kann ? Im Prinzip stimmt der Wechsel von B zu C ja völlig mit der auch von mir beobachteten Verbesserung der psychischen Präsenz meines Vaters überein.

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19.05.2011, 10:26 Uhr
Antwort

Guten Abend,
mit Ihrem letzten Satz treffen Sie ins Schwarze. Obwohl wir eine sehr gute Sozialgesetzgebung, z.B. im Sozialgesetzbuch IX , haben, wird die Vorgabe einer trägerübergreifenden Zusammenarbeit in der Rehabilitation kaum umgesetzt. Gelegentlich könnten Sie dass vielleicht auch den zuständigen politischen Repräsentanten so weitergeben, denn die Sichtweise eines Angehörigen zählt oft mehr als die Stimme aus den Kliniken selbst.
Zu Ihrem Vater: das Ziel der Rehablitation bestimmt Ihr Vater selbst. Wenn es für ihn das Wichtigste im Leben war, klar zu denken und an den Überlegungen in der Familie teilzuhaben, so ist das auch für die behandelnden Ärzte ein vorrangiges Ziel. Nicht wir, sondern die Patienten sollen - so zumindest in meiner Sichtweise - die Ziele bestimmen. So habe ich es auch in unserem Lehrbuch vertreten.
Wenn der Patient seine Ziele sprachlich nicht klar formulieren kann, so gilt sein mutmaßlicher Wille.
Es ist doch gut, dass Ihr Vater noch etwas Zeit in der Rehabiliation bekommen hat. Wenn eine nochmalige Verlängerung vom MDK abgelehnt würde, haben Sie als Bevollmächtigter ein Recht, die Ablehmung einzusehen und gegen die Entscheidung der Krankenkasse - sie entscheidet im rechtliche Sinn - Widerspruch einzulegen. Bedenken Sie, dass im Pflegeheim eine eigentliche Rehabilitation nur selten möglich ist. Es handelt dann um eine ambulante Physiotherapie und Ergotherapie. Mit der psychologischen Behandlung sieht es schon eher dürftig aus.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Optimismus, Ihren Vater wieder soweit zu bringen, dass er am Leben wieder aktiv teilhaben kann.

Gute Nacht

P. Frommelt

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22.05.2011, 12:52 Uhr
Antwort

Guten Morgen,
Ja, der Wechsel von B nach C spiegelt die Fortschritte in Aktivitäten des täglichen Lebens. Man kann nicht sagen, dass die aktive Reha dann beginnt, aber sicher, dass die Patienten viel aktiver mitmachen können.
Hört sich doch sehr gut an.

Alles Gute

Dr. Peter Frommelt

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