Sehr geehrter Herr Dr. Frommelt,
mein Vater liegt nach Entfernung eines Nierentumors im Krankenhaus. Letzten Mittwoch ist er morgens aufgewacht und konnte plötzlich auf beiden Augen fast nichts mehr sehen, was er auch dem Arzt mitgeteilt hat. Von Seiten der Ärzte wurde die Sache heruntergespielt und erst am Freitag eine Computertomographie des Kopfes veranlasst, die ergab, dass mein Vater mehrere kleine Schlaganfälle erlitten hat, die das Sehzentrum beeinträchtigen. Seit zwei Tagen erhält er nun Injektionen mit einem blutverdünnenden Mittel in den Bauch; mehr könne man nicht tun.
Für mich stellt sich die Frage, ob es nicht fahrlässig ist, nach einer so plötzlich eintretenden fast vollständigen Erblindung (er kann nur noch hell von dunkel unterscheiden) über zwei Tage mit einer Untersuchung abzuwarten. Meiner Meinung nach hätte man einem so eindeutigen Warnsignal sofort nachgehen müssen, nachdem doch ein Schlaganfall immerhin nicht einfach von vornherein ausgeschlossen werden kann und doch jeder Arzt wissen muss, dass dabei jede Stunde wichtig ist. Mein Vater leidet nicht an Diabetes, so dass die Ärzte den Verlust der Sehkraft nicht evtl. darauf zurückführen konnten.
Besteht überhaupt noch eine Chance, nachdem die Behandlung durch Injektionen erst am Freitagabend begonnen wurde, dass er seine Sehkraft irgendwann zurückerhält und sich die Verwirrung und Vergesslichkeit, unter der er jetzt leidet, wieder legt bzw. bessert?
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Antwort.
Blind nach Schlaganfall
Kategorie: Neurologie » Expertenrat Schlaganfall | Expertenfrage
Antwort
Sehr geehrte Anfragende, sehr geehrter Anfragender,
grundsätzlich ist es völlig richtig: Bei einem Auftreten von neurologischen Symptomen sollte so früh wie möglich ein Neurologe hinzugezogen werden und es sollte auch möglichst rasch eine Bildgebung durchgeführt werden. Ganz allgemein kann man sagen, dass ein Abstand von zwei Tagen zwischen dem Auftreten neurologischer Symptome, die auf einen Schlaganfall hinweisen, und einer Bildgebung zu lang ist.
Sie schreiben nun, dass Ihr Vater mehrere kleine Schlaganfälle erlitten habe. Dies würde darauf hinweisen, dass die Ursache am Herzen liegen könnte. Es ist möglich, dass durch einen unregelmäßigen Herzschlag kleine Blutgerinsel gebildet werden, die dann in den Hirnkreislauf eingeschwemmt werden und Schlaganfälle erzeugen. Nach Ihrer Schilderung schiene es wichtig, dass sowohl eine Abklärung durch einen Herzspezialisten als auch durch einen Neurologen erfolgte.
Tatsächlich besteht eine Chance, dass sich auch beidseitige Störungen der Sehfunktion durch Schlaganfälle in der Sehrinde bessern, zuweilen auch zurückbilden. Allerdings treten häufig sehr komplizierte Störungen der Sehfunktion auf, die eine besondere Form der Rehabilitation erfordern. Ihr Vater sollte, so meine Empfehlung, in eine Rehabilitationsklinik verlegt werden, die über besondere Erfahrungen in der Behandlung solcher Sehstörungen verfügt. Hier im süddeutschen Raum wäre das einmal die Abteilung für Neuropsychologie am Städt. Krankenhaus München-Bogenhausen, und, obwohl ich hier keinerlei Reklame für meine Klinik machen will, die Asklepios Klinik in Schaufling, an der ich tätig bin.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Frommelt
Asklepios Klinik Schaufling