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Tollwut - nach Tier Kontakt und Impfung Küssen und Sex erlaubt?

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

06.08.2019 | 10:16 Uhr

Hallo zusammen,

ich bin gerade beruflich in China. Auf unserem Firmengelände ist eine Hündin mit ihren 3 Welpen ca. 3 Monate alt. Sie werden von den Mitarbeitern gefüttert, gehören aber niemanden.

Letzten Montag morgen wurde ich von einem der jungen durch die Jeans ins Bein gebissen. Darauf hin entschied ich mich am Nachmittag ins Krankenhaus zu fahren. Dort wurde als erstes mein Tollwut Impfstatus geklärt. Ergebnis, ich habe im Jahr 2011 drei Impfdosen vor meiner ersten China Reise bekommen.

Daraufhin entschied sich der Arzt mir zwei weitere Impfdosen zu geben. Die dritte war heute, 7 Tage später. Die vierte wird an tag 21, also in zwei Wochen sein. Imunglobuline wollten sie mir nicht geben, da ich ja bereits vor 8 Jahren geimpft worden bin. Ich hab zwar darauf hingewiesen, dass ich keinen Booster nach einem Jahr bekommen habe, der Arzt meinte aber dass das keine Rolle spielt. Ich würde keine mehr brauchen.

Am Dienstag Abend, also einen Tag nach dem Vorfall und der Impfung der ersten zwei Dosen habe ich mich mit meiner Freundin getroffen. Zum Abschied haben wir uns natürlich geküsst.

Da sie jetzt eine Woche auf einem Business Trip war, haben wir uns seither nicht mehr gesehen. Morgen kommt sie wieder. Aber je mehr ich über die Sache nachdenke, desto mehr Zweifel kommen auf. Deshalb auch meine Fragen.

Frage 1: Ist das mit den Imunglobulin wirklich nicht notwendig, auch wenn die Grundimunisierung schon so lange zurück liegt? Oder ist das in Europa anders?

Frage 2: Bringe ich meine Freundin in die Gefahr dass ich sie anstecke, wenn wir uns küssen? Tollwut wird ja über den Speichel übertragen.

Oder sind küssen und Sex erst mal tabu?

Der Arzt heute meinte es wäre kein Problem.

Vielleicht ist ja hier ein Mediziner der mir das auch noch einmal genauer erklären kann.

Vielen dank im voraus.

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Experte-Leidel
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06.08.2019, 12:43 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Chris92,

während die deutschen Impfstoffhersteller eine Auffrischimpfung empfehlen (Rabipur®: alle 2 bis 5 Jahre, HDC-Tollwutimpfstoff: nach 1 Jahr, dann alle 5 Jahre), hält die WHO generelle Auffrischimpfungen nicht für erforderlich. Sie gelten jedenfalls mit den drei Impfungen der Grundimmunisierung als "vollständig geimpft".

Bei vollständig geimpften Personen besteht die Impfung nach Exposition (PEP) aus zwei Injektionen an den Tagen 0 und 3. Die Gabe von Immunglobulin ist bei bereits Geimpften, also z. B. bei Ihnen, nicht vorgesehen. Diese Aussagen gelten für moderne Zellkultur-Impfstoffe. Ich weiß nicht, welcher Impfstoff in China verwendet wurde.

Das Vorgehen in China entspricht eigentlich dem sog. "Zagreb-Schema" für die PEP bei zuvor nicht geimpften Personen. (Bei einer zuvor nicht geimpften Person hätte dann aber eigentlich das Immunglobulin dazugehört. Aber das braucht Sie nicht zu interessieren, da Sie ja zuvor bereits eine Grundimmunisierung erhalten haben.) So erhalten Sie mehr Injektionen als nötig (was Ihnen nicht schaden wird). Dass Sie kein Immunglobulin erhalten haben, war korrekt.

Für Ihre Freundin sind Sie kein Risiko, ganz gleich, welche Zärtlichkeiten Sie austauschen.

Fazit: Keine Booster-Impfungen mehr, aber bei jedem Risikokontakt zwei Impfungen an den Tagen 0 und 3. Kein immunglobulin. Und seien sie lieb zu Ihrer Freundin.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

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07.08.2019, 08:55 Uhr
Antwort

Guten Tag Herr Dr. Leidel,

zu erst einmal vielen Dank für ihre schnelle und umfangreiche Antwort. Da bei mir noch ein paar Fragen aufkamen, bitte ich sie auch hierzu nochmal um Rat.

1. Frage: Ich hatte letzte Woche nach den ersten beiden Impfungen am Montag, ab Mittwoch abend bis Freitag Abend schwere Durchfälle mit Bauchkrämpfen. Ich führe das eher auf das Restaurant am Dienstag Abend und nicht auf die Impfung zurück. Ich frage mich aber, ob die Durchfälle den Impferfolg, also die Imunabwehr negativ beeinflussen?

2. Frage: Am Samstag war ich dann eigentlich wieder fit und fühlte mich gut. Daraufhin habe ich am Samstag wieder schwer im Fittnesstudio trainiert. Wie viele Tage sollte man nicht schwer trainieren um den Impferfolg nicht zu gefährden? Sind im normalfall 3-4 Tage ausreichend?

3. Frage: Ich bin hier noch so lange vor Ort, dass ich mit dem Zagreb Schema fertig geimpft werde. Sollte ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland noch eine Untersuchung bezüglich des Impferfolgs (Antikörper menge) oder sonstige Untersuchungen machen lassen?

So, das war eigentlich das, was mir noch in den Sinn kam. Ich hoffe dass sie mir auch hier wieder weiter helfen können.

Zu meiner Freundin bin ich meiner Meinung nach immer lieb... vielleicht fragen sie aber besser nicht sie...da können sich die Aussagen durchaus unterscheiden...

Mit freundlichen Grüßen

Chris92

Experte-Leidel
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07.08.2019, 11:26 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Chris92,

  1. Ich teile Ihre Ansicht, dass die Durchfälle eher von einem Essen herrühren als von der Impfung. Als Nebenwirkung einer Tollwutimpfung ist mir so etwas nicht bekannt.
  2. Sie brauchen sich nach einer impfung nicht körperlich zu schonen, sollten sich aber für etwa 1 Woche auch nicht völlig überanstrengen. ich sage meinen impfpatienten immer: "Laufen - ja, Marathon - nein, Radfahren - ja, Tour de France - nein". Also: gehen Sie nicht an die Grenze Ihrer Leistungsfähigkeit, sondern belasten Sie sich moderat.
  3. Ich würde zurtück in Deutschland keine Untersuchungen durchführen lassen. Es gibt eigentlich zwei Gründe für eine Untersuchung des Antikörperspiegels: Sie könnten jetzt eine solche Untersuchung durchführen. Wenn der Antikörpertiter über 0,5 I.E./ml beträgt, könnten Sie die weiteren Impfungen weglassen. Aber ich würde das eher nicht machen. Und Sie könnten vor einer späteren Reise in ein Tollwutgebiet testen lassen und sich beim Absinken unter 0,5 I.E./ml eine Auffrischung geben lassen. Aber auch da würde ich eher der WHO folgen und bei einem Risikokontakt (Biss oder blutende Kratzwunde durch ein verdächtiges Tier oder direkter Speichelkontakt mit einer Wunde oder Schleimhaut (z. B. durch Belecken) 2 Impfungen durchführen lassen (Tag 0 und Tag 3). Moderne Zellkultur-Impfstoffe sind eigentlich praktisch überall verfügbar, was auf das immunglobulin nicht zutrifft. Aber das benötigen Sie ja auch nicht. Und - bevor ich es vergesse - bei Menschen mit einer ausgeprägten immunschwäche sind Antikörpertests sinnvoll.

Was ich flapsig hinsichtlich Ihrer Freundin schrieb, sollte eigentlich nur nochmal bekräftigen, dass für sie durch Kontakte zu ihnen kein Infektionsrisiko besteht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

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