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Können Prionen nach 25 Jahren noch infektiös sein?

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

31.10.2021 | 02:24 Uhr

Ich habe meine Frage versehentlich in der falschen Kategorie  gestellt und stelle sie deshalb nochmals.

Liebe Experten

Meine Tochter hatte in den 90er Jahren  zahme Farbratten  als Haustiere. Im Jahr 1996 also auf dem Höhepunkt der BSE Krise zeigte eine Ratte im Alter von ca 3 Jahren seltsame Symptome die mich im Nachhinein an Bse Symptome erinnern.Sie kippte beim Laufen immer wieder nach der Seite um und scheuerte ihre Nase immer wieder am Käfiggitter und versuchte sie hindurch zu bohren.Auserdem konnte sie dem Anschein nach nichts mehr sehen.Die Ratte wurde beim Tierarzt eingeschläfert . Meinen Verdacht erwähnte ich dort nicht weil ich Angst hatte nicht ernst genommen zu werden und ich meine Angst ,die Ratte könnte sich über Tiermehl haltiges Rattenfutter mit BSE angesteckt haben erst einmal verdrängte.Die Ratte hatte täglich Auslauf im Zimmer meiner Tochter .Das Zimmer hat einen Teppichboden und unzugängliche Ecken unter der Dachschräge.Da meine Tochter bald danach auszog wurde das Zimmer zwar teilweise ausgeräumt aber nie gründlich gereinigt .Nun soll das Zimmer nach langem Leerstand wieder benutzt und vorher renoviert werden da mein einer Sohn und seine Frau zu mir ins Haus ziehen.Ich habe nun Angst im Teppichboden könnten sich noch Prionen befinden die durch Rattenurin oder durch das Sekret der Harderschen Drüse der Ratte, das bei Krankheit aus den Augen abgesondert und von den Tieren im Fell verteilt wird ,dorthin gelangt sind. Ich würde nun gerne wissen ob man sich beim herausreissen des alten Teppichbodens mit Prionen anstecken kann wenn man sich zum Beispiel ins Gesicht oder ins Auge fasst oder prionenhaltigen Staub einatmet.Prionen können, wie man seit 2011 weiss, auch über die Luft übertragen werden.(experiment von Professor Aguzzi)

Im Keller habe ich kürzlich Gegenstände gegefunden und entsorgt die im ehemaligen Rattenkäfig verwendet wurden (Trinkflasche,.Schlafhäuschen ) die Sachen lagen in einem Kellerregal aus Blech.Da ich gelesen habe dass Prionen besonders hartnäckig an Metallen haften(chirurgische Instrumente) und durch normale Reinigungs- und Desinfektionsmittel so gut wie gar nicht zu entfernen sind weiss ich nun nicht wie ich mein Regalfach säubern soll.

Meine dritte Frage ist bezieht sich auf eine weitere Ratte die ebenfalls meiner Tochter gehörte und wahrscheinlich das gleiche Futter gefressen hat wie die andere.Diese Ratte habe ich nach ihrem Tod im Garten begraben,weiss aber leider nach über 20 Jahren nicht mehr genau wo.Da diese Ratte durch das Futter ebenfalls Prionen im Körper gehabt haben könnte ,fürchte ich nun jemand könnte zufällig an der selben Stelle graben um etwas zu pflanzen und etwas zu Tage fördern was noch infektiös ist. Laut verschiedenen Versuchen bleiben Prionen in Erde über sehr lange Jahre infektiös.Meine Kinder bauen im Garten auch Gemüse an und die Enkelkinder spielen dor,t genauso wie im Haus.

Meine Ideen hören sich verrückt an aber ich mache mir wirklich grosse Sorgen dass durch meine damalige Nachlässigkeit heute noch Schaden entstehen könnte. Um mich selbst habe ich  keine Angst aber um meine Kinder und Enkelkinder.

Ich hoffe ,Sie können mich beruhigen.

Mit freundlichen Grüssen

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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31.10.2021, 18:08 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

die Beantwortung Ihrer Frage war für mich eine ziemliche Herausforderung, da ich mich auch erst noch einmal in die Thematik einarbeiten musste. Somit wurde mir an diesem Sonntag nicht langweilig.

Zunächst zur Farbratte Ihrer Tochter. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese durch Prionen hervorgerufen wurde. Es gibt viele Ursachen für Erkrankungen des Gehirns bei Mensch und Tier, die viel wahrscheinlicher sind als ausgerechnet Prionen. Bei der Ratte denke ich z. B. auch an eine Enzephalozoonose durch den Rattenstamm von Enzephalozoon cuniculi. Ratten sind natürlicherweise kaum durch Prionen infizierbar. Dass sie gleichwohl auch zu den Versuchstieren bei der Erforschung der Prionenkrankheiten eingesetzt werden, war nur durch experimentelle Anpassung im Labor möglich.

Zur Dauer der Infektiosität in der Umwelt: Das Fraunhofer-Institut hat für das Umwelt-Bundesamt die "Überlebensdauer" von Prionen (Scrapie und BSE) in der Umwelt, hier besonders im Boden, untersucht. Tatsächlich blieben die Prionen lange infektiös, im Maximum für 29 Monate. Keinesfalls also für 20 Jahre. Das Umwelt-Bundesamt kommt aufgrund dieser und weiterer Studien 2008 zu folgendem Fazit:

"Auch in England gibt es bisher keine Hinweise für die Verbreitung von BSE über den Umweltpfad. In Deutschland bestand zu keiner Zeit ein ähnlich hohes Risiko wie in Großbritannien. Eine Gefährdung der Bevölkerung durch Versickerungswasser, Grundwasser oder Trinkwasser ist ebenfalls nicht zu erwarten .... Aufgrund restriktiver Schutzmaßnahmen und des zu vernachlässigenden Eintrags von BSE-Erregern in die Umwelt betrachten Experten die Gefahr einer Infektion von Tieren oder des Menschen mit BSE-Erregern über die Umwelt nach gegenwärtigem Kenntnisstand in Deutschland als nicht relevant."

Mein Fazit daraus ist: Weder durch den Teppichboden, noch durch die Gegenstände aus dem Rattenkäfig, noch durch den Garten sehe ich eine reale Möglichkeit sich mit Prionen anzustecken.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

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01.11.2021, 17:30 Uhr
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Lieber Herr Dr. Leidel

Vielen Dank für ihre Mühe und Ihre ausführliche Antwort.Sie haben mir sehr geholfen meine Angst zu reduzieren und hoffentlich bald ganz zu überwinden.

Herzliche Grüsse 

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02.11.2021, 05:42 Uhr
Kommentar

Lieber Herr Dr. Leidel

Bitte entschuldigen Sie dass ich noch einmal nachhake.ich kann leider nicht vehindern dass mich die Sache mit der Ratte in Gedanken immer noch beschäftigt..Obwohl BSE natürlich nur ein relativ unwahrscheinlicher Grund für sie Symptome ist ,die die Ratte hatte , war es doch so  dass sich die Symptome genau in dem Jahr gezeigt haben in dem sich vermutlich auch die meisten deutschen BSE Rinder angesteckt haben, die dann nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 5 Jahren ab 2000 erkrankten.Es könnte also schon so sein dass 1996 besonders viel verseuchtes Tiermehl im Umlauf war und in das Rattenfutter gemischt wurde.Die Verfütterung an Haustiere war damals noch nicht verboten.

Die von Ihnen als Möglichkeit genannte Kaninchenkrankheit  Enzephalozoonose  passt leider  vom Erscheinungsbild (Ich habe im Internet nachgelesen) gar nicht zu dem Verhalten das die Ratte gezeigt hat Sie zeigte auch keine Kopfschiefhaltung.Sie fiel nur  immer wieder aus vollem Lauf seitlich um aber ohne herumzurollen sondern  sie stand fast sofort wieder auf und lief weiter.Dies und der starke Juckreiz am Kopf,der sie wohl  dazu trieb immer wieder die Nase am Gitter zu scheuern, glich für mich auf beängstigende Weise dem Verhalten von BSE kranken Rindern wie ich es gelesen und auf Videos gesehen habe. Außerdem schien sie am Ende blind zu sein und Sehstörungen treten ja bei Prionenerkrankungen auch auf.Ich maße mir bestimmt nicht an wirklich etwas von diesen Krankheiten zu verstehen.Da ich aber schon längere Zeit diese Angst habe und in Meiner Ratlosigkeit nicht wusste an wen ich mich wenden konnte habe ich eben sehr viel selbst recherchiert und dabei ist der beängstigende Eindruck entstanden dass BSE doch nicht so unwahrscheinlich sein könnte.Da ich nun zum Glück dieses Forum entdeckt habe und einen Experten fragen kann würde ich gern noch wissen ob das Entfernen des Teppichbodens ihrer Einschätzung nach auch ungefährlich wäre falls die Ratte wirklich BSE gehabt haben sollte.Dass Urin und Hardersches Sekret aus dem Fell auf dem Boden verteilt worden wäre und darin Prionen enthalten gewesen sein könnten wäre ja dann nicht auszuschließen da sie wirklich viel darauf herumgerannt ist.

Ich  hoffe,dass  Sie mir auch darauf eine Antwort geben können und danke Ihnen schon im voraus für ihre Mühe .

Experte-Leidel
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02.11.2021, 14:09 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

ja, es ist ein schwieriges Thema. Und ich muss mich in einem Punkt korrigieren: In der Studie, die das Fraunhofer-Institut durchgeführt hatte, wurden wohl keine BSE-Prionen, sondern Scrapie-Prionen untersucht. Und nach 29 Monaten wurden infektiöse Prionen noch gefunden, allerdings in reduzierter Menge. Länger wurde nicht untersucht.

Ich weiß nicht genau, worum es ihnen geht. Haben Sie die Sorge, dass Menschen aus Ihrer Familie zu Schaden kommen könnten?

Wir kennen beim Menschen verschieden Formen von spongiformen Encephalopathien:

  • Kuru, eine auf Papua-Neuguinea durch rituellen Kannibalismus verbreitete Krankheit, die heute nicht mehr vorkommt,
  • die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) als klassische Prionenkrankheit des Menschen,
  • die variante CJK (vCJK), die der vermutlich über die Nahrungskette erworbenen BSE (Bovine Spongiforme Encephalopathie) entspricht und
  •  das sehr selten familiär auftetende Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS).

Andere Prionenkrankheiten des Menschen sind mir nicht bekannt. So habe ich auch keine Hinweise finden können, dass Scrapie (Prionenkrankheit der Schafe) oder die Prionenkrankheit der Nerze bislang beim Menschen aufgetreten sein könnten.

Die vCJK hat ganz offenbar den Verzehr des Fleischs von BSE-Rindern als Ursache. Bis zum Jahr 2018 waren weltweit über 200 Fälle dieser Krankheit bekannt geworden, die meisten davon in England. Mittlerweile sind alle verstorben. In Deutschland hat es bis 2018 keinen einzigen Fall gegeben. Und es gibt keinerlei Hinweise, dass sich das zwischenzeitlich geändert haben könnte.

Prionenkrankheiten treten beim Menschen also entweder sehr selten familiär vererbt auf wie beim GSS oder es handelt sich um CJK, wobei körpereigene fehlgefaltete Eiweißkörper zu einer spongiformen Encephalopathie führen. CJK kommt zu 85% sporadisch, also zufällig vor, wobei das Risiko mit steigendem Alter zunimmt. In etwa 15% ist CJK familiär bedingt (fragen Sie mich nicht, wodurch sich diese Fälle vom GSSS unterscheiden) und in etwa 1% handelt es sich um einen iatrogenen, also medizinisch verursachten Krankheitsfall: z. B. durch Hornhauttransplantate oder die Gabe von menschlichem Wachstumhormon.

Und schließlich gibt es vCJK durch den Verzehr von Fleisch von an BSE erkrankten Rindern.

Eine umweltbedingte humane Prionenkrankheit des Menschen durch 20 Jahre alte Prionen im Teppichboden ist mir nicht bekannt. Insofern kann ich nur sagen, dass ich da kein, wirklich gar kein Risiko sehe.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

 

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04.11.2021, 16:27 Uhr
Kommentar

Meine wirklich allerletzte Frage lautet :Ist eine Ansteckung über den Teppichboden auch dann nicht möglich wenn sich ein Familienmitglied von mir oder ein Handwerker beim Entfernen des Teppichs mit einem Teppichmesser schneiden würde das vorher den Teppichboden durchschnitten hat?Prionenhafte ja besonders gut an Metall und sind sind wenn sie über Verletzungen in den Körper eindringen viel gefährlicher als über Nahrungsaufnahme(Beispiel Ansteckung über chirurgische Instrumente)

Herzlichen Dank und viele Grüße

Experte-Leidel
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04.11.2021, 18:17 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Abend,

was für Prionen könnten das sein? Unbekannte Rattenprione? Scrapie? Sie haben sich da so ziemlich die unwahrscheinlichste Infektion für ihre Sorgen ausgesucht. Eine mit Ihren Sorgen vergleichbare Übertragung nach über 20 Jahren habe ich in der Literatur nicht gefunden 

Ich fürchte, ich kann Ihnen da nicht weiter helfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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