Sehr geehrter Dr. Leidel,
die Angst vor HIV und Hepatitis C begleitet mich bereits mein halbes Leben lang, trotz Therapie. Es gibt viele Dinge, an denen ich arbeiten konnte, aber ich merke, dass manche Situationen mich regelrecht verfolgen. Dies ist mein dritter Beitrag in fünf Jahren in diesem Forum und für mich wirklich das letzte Mittel der Wahl, wenn mich die Angst gar nicht mehr loslässt und mich in meinem Leben enorm behindert.
Der Hintergrund meiner Frage hat mit einem Vorfall in der Nähe meiner Heimatstadt zu tun, bei dem ein Mann auf offener Straße erschossen wurde. Das allein ist schon schlimm genug und löst bei mir Trauer und Wut aus. Hinzu kommen an der Stelle aber auch meine Ängste, da das Opfer laut Medien drogensüchtig, offenbar heroinabhängig, war und allgemein viel im Drogenmilieu agierte. Leider gehen in dem Zusammenhang dann bei mir sofort alle Alarmglocken an, da es sich bei Drogenabhängigen um eine Risikogruppe in Bezug auf die beiden Krankheiten, die mich so ängstigen, handelt. Für Nicht-Angstpatienten klingt meine Frage wohl sehr weit hergeholt, für mich sind es allerdings total "logische" Gedankenketten, die entstehen.
Auf den Bildern der Medien war nämlich sehr deutlich zu sehen, dass der Mann auf einem engen Bürgersteig zwischen geparkten Fahrrädern und Autos lief, als der Kopfschuss ihn erwischte. Ich denke dann sofort darüber nach, dass durch den Ein- und möglicherweise Austritt der Kugel sein Blut nicht nur auf dem Boden, sondern mit Sicherheit auch auf den parkenden Autos und Rädern um ihn herum gelandet ist (es lagen wirklich nur Zentimeter zwischen ihm und den parkenden Autos/Rädern). Dieser Gedanke lähmt mich aktuell extrem, da ich dadurch überall Gefahr sehe. Was, wenn das Blut in Anbetracht seiner Drogenabhängigkeit infektiös ist und die Anwohner nun mit den "kontaminierten" Autos/Rädern umherfahren und beim Ein-und Aussteigen bzw. Aufsteigen unbewusst auf das Blut fassen (was vielleicht kaum sichtbar ist)? Ich traue mich kaum noch aus dem Haus, weil diese Autos/Räder für mich wie wandelnde Gefahrenquellen sind und ich natürlich nicht einschätzen kann, wo die Anwohner damit hinfahren. Sie könnten dann ja ständig mit dem an ihrem Fortbewegungsmittel haftenden Blut, zB an der Autotür oder auf dem Lenker in Berührung kommen und dann im Anschluss mit den "kontaminierten" Händen einkaufen gehen, auf den Weihnachtsmarkt etc.
Es ist schwierig zu formulieren, was in meinem Kopf leider so "logisch" erscheint. Letztendlich dreht sich die Angst um die Frage, ob HIV/Hepatitis C-Viren auf oder in Autos oder an Rädern überleben können. Denn ich weiß, dass diese Viren laut RKI "je nach Umgebungstemperatur tagelang infektiös" bleiben können. Was mich in dem Zusammenhang besonders ängstigt, ist, dass der Vorfall zwar schon über eine Woche her ist, aber draußen Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschen. Und im Internet stoße ich immer wieder auf die Information, dass diese Viren in der Kälte länger infektiös bleiben können. Würde die Angabe "tagelang" (statt Wochen/Monaten) dann überhaupt noch gelten? Auch sind Autos aufgrund des Wetters aktuell ständig nass von außen, sodass ich nicht weiß, wie anhaftendes, potentiell infektiöses Blut auf diese Weise wirklich trocknen kann. Und selbst getrocknetes Blut kann meines Wissens noch infektiös bleiben. Mir ist klar, dass dieses Blut natürlich auch erst einmal eine Eintrittspforte finden müsste. Aber allein der Gedanke, dass Autos mit möglicherweise infektiösem Blut umherfahren, ängstigt und lähmt mich enorm. Dadurch könnte sich dieses Blut für mich potenziell überall "verbreiten", wo die Fahrer dieser Autos hinkommen.
Vielen Dank, dass Sie versuchen, meinem Gedankengang zu folgen. Natürlich können Sie die Ängste nicht wegzaubern, aber ich denke, dass viele Angstpatienten hier dank Ihrer Hilfe wieder ein Stück Sicherheit und Beruhigung erlangen und wieder "alltagsfähiger" werden. Für diese Möglichkeit möchte ich mich wirklich bedanken.