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Hepatits A und B - Hilfe bei Ängsten

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

30.05.2020 | 21:54 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr Leidel,

kurz zum mir: ich leider unter einer Zwangsstörrung, habe die Erkrankung aber soweit ganz gut im Griff. Dennoch mache ich mir ab und an Sorgen, vor allem um Hepaptis A und B. Ein großes Problem sehe ich bei mir im Einschätzen von "Gefahren". Ich selbst bin gegen Hep A geimpft, möchte aber dennoch nicht das Virus im Haus haben, meine Freundin anstecken beispielsweise durch Schmierinfektionen über Gegenstände ect.

1.

Zu Hepatits B steht im Internet, (in seriösen Quellen) das selbst mikroskpisch kleinste Blutmengen hochinfektiös sind.. hier im Forum haben Sie viele beruhigt das man sich über getrocknetes Blut an Türklinken nicht anstecken kann ect. (hoffe ich habe das so richtig verstanden ?) .

Beim Friseur über Pinzetten, gerade bei winzigen Verletzungen beim Augenbrauenzupfen könnte das Virus doch auch übertragen werden?: - ich habe oft den Eindruck die werden nicht ordnungsgemäß desinfiziert.

letztens beim Kieferorthopäde hat der Arzt ein Patient neben mir behandelt, dann bei mir weiter behandelt ohne sich zu desinfizieren und ohne Handschuhe (!).

-Auf was ich hinaus will, wenn es so hoch ansteckend ist handeln diese Leute dann nicht grob fahrlässig oder sehe ich das durch meine Störung einfach zu "ernst" und es ist dann doch nicht so leicht infektiös wie überall geschildert?

2.

Ebenfalls habe ich Angst vor Hep A. Das Virus scheint ja extrem Rubust zu sein.Laut RKI können Reinigungsmittel als auch Wäsche waschen unter 90C das Virus nicht abtöten. Nur spezielle Desinfiktionsmittel bringen etwas. Es überlebt im Meerwasser sogar 3 Monate...

Laut dieser Logik würde ja Händewaschen nicht viel bringen.

So könnte man sich ja im Alltag leicht beispielsweise über öffentliche Toiletten anstecken. Durch winzige Fekalspuren an Toilettentüren, ect. Oder?

Auch hat mir letztens ein Freund ein Desinfiktionsmittel von seiner Arbeit vorbei gebracht (Arbeitet mit Psychisch Kranken). Die Flasche war bereits benutzt und es waren kleine braune Flecken drauf. Ich natürlich sofort auf der Flasche könnte Hep A sein ... Händewaschen bringt nur bedingt was...habe dannach Handtuch ect. angefasst. 60 Grad Wäsche bringt ja wohl auch wenig, usw. --> Wahrscheinlich Typische Zwangsvorstellungen eben

Gerade die Infos das es so Umweltstabil ist, kleinste Mengen ausreichen, oft über kontaminierte Gegenstände übertragen wird verunsichert dann aber doch.

Anderseits weiß ich gerad bei den Anfängen meiner Zwangs/Angstsörrung das man oft wichtigte Parameter übersieht, wie Virusmenge, wie lange ist das ganze schon an der Luft (bei Hep A fällt das ja durch die Stabilität weg) , Einrittspforte, ... 

 

Ich hoffe Sie konnte mich etwas verstehen, mir geht es im Prinzip darum die vermeitlichen "Gefahren" besser einschätzen zu könne, zwecks Ansteckungswahrscheinlichkeiten oder auch die genannten Situationen beim Kieferorthopäde, die mich extrem verwirren - die würden ja sonst echt das Leben von anderen aufs Spiel setzen...

 

Beste Grüße

 

Felix

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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31.05.2020, 16:53 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

ich will versuchen, Ihre Fragen so gut wie möglich zu beantworten, obwohl wir beide ja wissen, dass das eigentlich völlig vergebliche "Liebesmüh" ist. Im besten Fall kommt es nach eher kurzer Zeit anhaltender Beruhigung zu erneuten Ängsten nach dem "ja, aber-Prinzip". Mich frustriert das oft, zumal ich kein Psychotherapeut bin, sondern Infektionsmediziner.

Hepatitis A:

Sie schreiben, Sie seien gegen Hepatitis A geimpft. Diese Impfung ist sehr zuverlässig, Sie können nicht mehr daran erkranken und auch nicht indirekt die Viren in Ihr Haus holen.  

Hep. A ist eine akute Infektion, die eine Leberentzündung hervorruft. Die Viren werden oral aufgenommen und mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Krankheit heilt in den allermeisten Fällen völlig komplikationslos und folgenlos aus. Chronisch wird sie nie. Die Infektion erfolgt fäkal-oral durch kontaminierte Speisen bzw. Getränke oder durch Schmierinfektion (das heißt in diesem Fall: die Viren auf mit Fäkalien verunreinigten Gegenständen oder Oberflächen werden - direkt oder evtl. über die Hände - oral aufgenommen). Auch fäkal-orale Sexpraktiken können zu einer Infektion führen. Allerdings ist es statistisch schon recht unwahrscheinlich, unter 82 Millionen Menschen in Deutschland einer der eher wenigen, maximal für 3 bis 4 Wochen ansteckenden Personen zu begegnen.

Mit zunehmender Hygiene ist die Infektion in den gemäßigten Zonen seltener geworden: 1994 gab es in Deutschland noch 5.484 gemeldete Fälle, 2019 waren es nur noch 874. Die meisten dieser Fälle werden durch Reisen in Länder mit höherer Prävalenz importiert, weshalb die Impfung gegen Hepatitis A bei uns hauptsächlich eine Reiseimpfung ist und wegen ihrer Seltenheit in Deutschland von der STIKO nicht allgemein empfohlen wird, sondern nur für Personen mit erhöhtem Risiko.

Die wichtigste Hygienemaßnahme für Kontaktpersonen ist die regelmäßige Händedesinfektion mit einem Händedesinfektionsmittel mit "viruzider" Wirksamkeit. Wie alle "unbehüllten" Viren ist das HAV in der Umwelt tatsächlich relativ stabil, aber natürlich nicht für immer. Allerdings wird es bei Temperaturen über 65 Grad rasch inaktiviert.

Hepatitis B:

Zunächst: Gibt es einen Grund, warum Sie nicht gegen Hepatitis B geimpft sind? Das könnte doch Ihr Problem schlagartig lösen.

Das Blut von Hepatitis B-Patienten kann in der Tat eine hohe Infektiosität aufweisen. Das gilt vor allem für die Frühphase der Erkrankung bzw. für Menschen, die HBeAg-positiv sind. Auch kleinste Mengen Blut solcher Patienten, können, wenn sie in Wunden gelangen, zur Ansteckung führen. Diese Ansteckung erfolgt - wie gesagt - durch Blut zu Blut-Kontakte oder durch Sexualität.

In der späteren Phase  der Erkrankung oder bei fehlendem HBeAg ist die Infektiosität sehr viel geringer. Mir ist der Hinweis wichtig, dass Hepatitis B also hoch anstecken sein kann, es meistens aber nicht ist. Über 90 % der Hepatitis B-Erkrankungen heilen folgenlos aus. Nur in knapp 10 % kommt es zu einem chronischen Verlauf.

Logischerweise sind besonders Menschen, mit injizierendem Drogengebrauch oder sehr promiskuitivem Sexualleben gefährdet. Bei engen Kontakten in Familien, Gemeinschaftseinrichtungen usw. kann, wenn auch eher selten, eine Übertragung durch infektiöse Körperflüssigkeiten auch bei Bagatellverletzungen erfolgen. Alltägliche Kontakte wie gemeinsame Nutzung von Geschirr, Gläsern usw. oder die Berührung von Türklinken, Geldscheinen und drgl. können im Allgemeinen nicht mit einer Ansteckung einhergehen.

Auch ein den Hygieneanforderungen nicht genügendes Vorgehen beim Tätowieren, Ohrlochstechen oder Piercing kann die Infektion übertragen. Aber in professionellen Betrieben, vor allem Friseurläden und drgl. dürfte das Risiko sehr gering sein. Und in einen Laden, der meinen Anforderungen von Hygiene nicht genügt, würde ich nicht mehr gehen.

Ihre Erfahrung beim Kieferorthopäden kann ich nicht bewerten, weil ich nicht weiß, was dort genau geschah. Es klang in Ihrem Schreiben ein bisschen so, als säßen die Patienten in einer Reihe und der Arzt geht vom einen zum anderen ohne Hygienemaßnahmen zu beachten. Das wäre sicher nicht gut.

Also: ich möchte die Risiken insbesondere der Hepatitis B nicht bagatellisieren. Aber die zufälligen Übertragungen durch Alltagssituationen spielen eine ganz, ganz geringe Rolle. Und nochmal: lassen Sie sich doch impfen, statt ständig vor der Erkrankung zu zittern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

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