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Ansteckungsgefahr bei fehlender Milz

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

02.04.2019 | 13:54 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

mir wurde wegen eines Traumas die Milz vor einem halben Jahr entnommen. Ich habe die vorgeschriebenen Imfungen bekommen. Mein Problem ist folgendes. Vor dem Unfall hatte ich ein reges Sexualleben mit wechselnden Partnern und ich bin auch öfters ins Bordell (Laufhaus) gegangen. Seit dem ich aber keine Milz mehr habe, habe ich Angst Sex zu haben vor allem ins Bordell zugehen. Meine Angst begründet sich dahin das ich ja jetzt Infektanfälliger bin was zu einer Lungenentzündung und Sepsis führen kann. Es sind tausend Fragen in meinem Kopf und dadurch isoliere ich mich. Kann ich noch Sex haben? Sind Praktiken wie Fellatio, Cunilingus oder sogar das Küssen (Pneumokokken/Menigokokken) gefährlich für mich? Wenn ich ins Bordell gehe und mich auf ein Bett lege oder nur durch das Anwesend sein hole ich mir dann etwas was sogar zu einer Sepsis oder Lungenetzündung führen kann? Das Leben ist so sehr schwierig und ich hoffe das ich bei Ihnen richtig bin und Sie mir helfen können.

Ich bedanke mich jetzt schon im voraus.

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Experte-Leidel
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02.04.2019, 16:54 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

nach Entfernung der Milz besteht vor allem ein erhöhtes Risiko durch Bakterien, die eine Kapsel um sich haben. Die meisten Funktionen des Immunsystems bleiben aber unbeeinträchtigt. Deshalb sollte man nach Entfernung der Milz vor allem gegen Pneumokokken und gegen ein Bakterium mit Namen Haemophilus influenzae (Hib) geimpft sein. Auch eine Impfung gegen Meningokokken ist sicher sinnvoll. Und auch die jährliche Impfung gegen Influenza (Virusgrippe) möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen, denn diese bahnt anderen bakterien auch den Weg.

Dass die Sexualität mit Infektionsrisiken verbunden ist, insbesondere wenn man nicht in einer stabilen Beziehung lebt, ist Ihnen ja bewusst. Aber die hier hauptsächlich geürchteten Infektionen mit HIV oder Hepatitis B (und C) verlaufen ohne Milz im Allgemeinen nicht schwerer. Die Gonokokken, Erreger der Gonorrhoe (Tripper) haben anders als die Meningokokken keine richtige Kapsel. Die Gefahr durch diese sehe ich nicht als schwerwiegender an als bei Menschen mit intakter Milz. 

Wichtig ist, dass sie im Fall einer Infektion frühzeitig einen Arzt aufsuchen, damit früh mit einer Behandlung begonnen werden kann. Aber das Hauptrisiko sind die genannten Bakterien und gegen diese kann man impfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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02.04.2019, 17:57 Uhr
Kommentar

Sehr geehrter Herr Dr. Leidel,

haben Sie vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Ich bin gegen Pneumokokken, Menigokokken, Influenza, Tetanus und Haemophilus influenzae (Hib) geimpft worden. Wie sicher sind den diese Impfungen?

Das mit dem Infektrisiko bei wechselnden sexuellen Beziehungen ist mir bewusst aus diesem Grund auch nur mit Kondom. Nun meine Frage ging in die Richtung bei sexuellen Praktiken, wo kein Schutz vorhanden ist wie Oralverkehr oder Küssen eine besondere Gefahr darstellen, da Penumokokken und Meningokkken im Nasen/Rachen-Raum leben, das heisst ich könnte mich beim normalen Küssen damit infizieren, besteht da bei mir jetzt ein höheres Risiko?

Und zuallerletzt habe ich eine Frage zum Pilz Candida albicans. Kann der für mich gefährlich werden?

Besten Dank im Voraus.

Experte-Leidel
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03.04.2019, 10:38 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

generell kann man sagern, dass Ihr Infektionsrisiko ingesamt durch die Entfernung der Milz erhöht ist, egal, ob Sie sich in einer größeren Menschenmenge aufhalten oder ob Sie Oralverkehr praktizieren oder küssen. Das erhöhte Risiko bezieht sich besonders auf bestimmte Erreger. Da gehören auch Erreger von Pilzinfektionen wie Candida albicans dazu. Gegen die wichtigsten bakteriellen Erreger sind Sie geimpft, aber gegen Pilzinfektionen kann man leider nicht impfen.

Eine Aussage über das Risiko in speziellen Situationen ist nicht wirklich sinnvoll möglich. Niemand kann sagen, ob Oralverkehr mit einer bestimmten Person gefährlicher ist als z. B. der Aufenthalt in einer größeren Gruppe von Menschen. 

Und Ihr Immunsystem funktioniert auch ohne Milz, Sie sind also nicht völlig schutzlos.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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03.04.2019, 16:15 Uhr
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Sehr geehrter Herr Dr. Leidel,

besten Dank für Ihre Antwort. Sie glauben nicht wieviele Mediziner, gerade Hausärzte kaum Wissen über die Milz oder der konsequenzen bei deren verlust haben. Umso mehr freut es mich mit ihnen jemanden gefunden zu haben der in dieser Thematik sachkenntnis besitzt.

Nun ja, mit dem Risiko der Ansteckung durch das küssen oder den sexuellen Praktiken muss ich leben. Irgendwie muss man ja ein normales Leben führen können.

Erlauben Sie mir noch eine Frage. Ich habe gelesen das Menschen die keine Milz mehr besitzen eine verminderte Immunantwort haben. Kann man da sagen wie sicher die Impfungen sind?

Vielen Dank und freundlichem Gruß.

 

 

 

Experte-Leidel
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05.04.2019, 17:32 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

die Antikörperbildung nach einer Impfung funktioniert auch ohne Milz. Eine Aufgabe der Milz ist es, bekapselte Bakterien und bestimmte Parasiten aus dem Blut zu entfernen.

Ob die Effektivität der Impfungen gegen diese Erreger ohne Milz eingeschränkt sein kann, lässt sich nicht allgemeingültig sagen. Aber: die Impfung ist der beste Schutz, der in so einer Situation möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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07.04.2019, 19:13 Uhr
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Sehr geehrter Herr Dr. Leidel,

bei meinen Recherchen bin ich auf die Therapie mit Immunglobulinen gestoßen. Verstehe ich, das richtig das dadurch der fehlende Defekt im Immunsystem behoben werden kann?

Ich frage mich wieso ich darauf von den ganzen Ärzten nicht aufmerksam gemacht wurde. Können Sie mir hierzu ein wenig Information geben?

Vielen Dank.

Experte-Leidel
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08.04.2019, 14:14 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

eine Behandlung mit Immunglobulinen wird auch als passive Immunisierung bezeichnet. Das beruht darauf, dass der Empfänger die Antikörper (Immungobuline) nicht selbst, also aktiv, produzieren muss, sondern sie passiv zugeführt bekommt.

Der Patient erhält ein Konzentrat aus den immunglobulinen verschiedener Spender, ohne dass man genau wüsste, gegen welche Infektionskrankheiten Antikörper in welcher Höhe enthalten sind. Die Witkungsdauer ist begrenzt (meist geht man von maximal bis zu 3 Monaten aus), weil die fremden Eiweißstoffe vom Körper abgebaut werden.

Die Anwendung solcher Präparate kann in bestimmten Situationen und bei bestimmten Immunerkrankungen (z. B. Primäres Antikörper-Mangelsyndrom) sehr sinnvoll sein. Zur Behandlung nach Milzentfernung kenne ich sie nicht. Es mag aber sein, dass das in bestimmten Situationen bei manchen Formen der Unterfunktion oder des Fehlens der Milz sinnvoll sein kann..

Sie können davon ausgehen, dass Sie immunologisch nicht völlig ungeschützt sind. Ich kenne mehrere Menschen, denen die Milz entfernt werden musste und die überhaupt nicht an häufigeren oder schwerer verlaufenden Infektionen erkranken.

Und die Antikörper, die Sie aufgrund der Impfungen gebildet haben, sind möglicherweise in geringerer Menge vorhanden als bei jemandem mit intakter Milz, aber sicher effektiver als regelmäßig zugeführte Fremdeiweißstoffe..

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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09.04.2019, 16:52 Uhr
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Sehr geehrter Herr Dr. Leidel,

danke nochmals für Ihre informative Aussage. Auch ich habe nichts darüber gefunden das Aspleniker eine passive Immunisierung bekommen werde aber meinen Arzt darauf ansprechen.

Entschuldigen Sie das ich nochmals den Candida albicans anspreche er bereitet mir aber einige Sorgenfalten. Einem Freund der Medizin studiert habe ich gesagt das er für mich ein Risiko wäre. Er meinte dann das 75 Prozent aller Menschen diesen Pilz in oder auf sich tragen und auch das jede Frau mindestens 2 mal im Leben mit ihm im Genital damit infiziert wäre. Er meinte, dann das ich aufgrund meines Lebensstiles ja Russisch Roulette spielen würde und quasi um mein Leben nicht zu gefährden auf jegliche Art von Intimität verzichten müsste.

Auch hier habe ich mich dann tiefer eingelesen und erfahren, dass der Pilz in der Tat bei Immunschwachen Menschen ins Blut gelangen kann und eine systemische Mykose oder Lungenentzündung hervor rufen kann, die dann tödlich endet. Nun kann ich ja nicht eine Frau die ich privat oder im horizontalen Gewerbe treffe erst zum Arzt schicken, bevor ich mit ihr intim werde. Sie hatten ja geschrieben das eine Aussage über das Risiko in speziellen Situationen nicht wirklich sinnvoll möglich ist. Nun leben ja nicht alle Aspleniker in einer festen Partnerschaft das heißt das Leben muss ja irgendwie weiter gehen.

Könne Sie mir wenigstens sagen, was ein absolutes no go in Zukunft ist oder auf was ich aufpassen sollte welche Maßnahmen ich treffe oder Vorkehrungen treffen sollte. Kann ja nicht sein das mit 30 Jahren die Sexualität zu Ende ist, weil die Milz entfernt wurde.

Beste Grüße und danke für ihre Mühe

Experte-Leidel
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11.04.2019, 11:49 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

ich finde es nicht leicht, Ihre z. T. sehr kjomplexen Fragen in dieser Weise per Schriftverkehr zu beantworten. Ein paar Dinge zuerst:

Die Entfernung der Milz ist kein Todesurteil. Wie ich schon schrieb, kenne ich mehrere Menschen ohne Milz. Eine entfernte Verwandte (kein Kind von "Traurigkeit") lebt jetzt seit 50 Jahren ohne Milz und ohne gehäufte Infektionen

Verschiedene Beeinträchtigungen des immunsystems wirken sich verschieden aus. Ein Leben ohne Milz ist nicht dasselbe wie ein Leben z. B. mit HIV oder anderen Ursachen für angeborene oder erworbene Immunmangelkrankheiten. Das Hauptrisiko ohne Milz sind schwer verlaufende Fälle von Sepsis durch bestimmte bekapselte Bakterien. Auch das Risiko schwerer verlaufender Inftionen mit Candida albicans (Soor) mag erhöht sein, quantitative Aussagen dazu habe ich nicht finden können.

Erhöhtes Risiko bedeutet noch lange nichtt, dass etwas auf jeden Fall passiert. Und das Leben ist ohnehin voller Risiken, und manchmal erwischt einen gerade etwas, woran man überhaupt nicht gedacht hat. Sie können sich wer weiß, wie gut, schützen, den ganzen Tag mit Mundschutz oder Ganzkörperkondom herumlaufen, auf alles, was Ihnen Spass macht verzichten und einen töflichen Unfall erleiden. Das Leben ist nie ungefährlich und endet immer tödlich.

Und ich kann Ihnen leider kein abolutes no go nennen. Für mich wäre es Bergsteigen oder Drachenfliegen. Ich weiß, dass Sie die Sexualität meinen. Aber da wären es für mich - mit und ohne Milz - hauptsächlich Dinge, durch die ich anderen Weh tun würde.

Ich fürchte, dass ich über diese allgemeinen "Weisheiten" hinaus wenig mehr zu Ihren Fragen beitragen kann und würde gerne unseren Dialog beenden.

Ein Rat fällt mir gerade noch ein: Sie sollten vielleicht  regelmäßig durch Ihren Hausarzt/ Ihre Hausärztin Kontrolluntersuchungen auch hinsichtlich Ihres immunstatus durchführen lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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11.04.2019, 13:38 Uhr
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Sehr geehrter Herr Dr. Leidel,

nochmals Danke für Ihre Antwort. JA das ganze ist nicht so ganz leicht gerade für Betroffene. Ich werde aber Ihre Antworten hier behrezigen.

Ich glaube mein Hausarzt sieht das ganze sehr locker und hat nicht so das Wissen. Was meinen Sie mit Kontrolle des Immunstatus? Welche Werte werden da kontrolliert? Ist das mit dem goßen Blutbild abgedeckt?

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

 

Experte-Leidel
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11.04.2019, 14:13 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag nochmal,

ja, dazu gehören ein Differential- oder Großes Blutbild und die Bestimmung der Immunglobuline IgG, IgM und IgA.

Die wichtigste, weil schwerwiegendste Komplikation beim fehlen der Milz ist - wie ja mehrfach angesprochen - die Sepsis vor allem durch bekapselte Bakterien. Ich habe jetzt eine quantitative Aussage dazu bei NetDoctor gefunden: Die Sepsis tritt bei 1 bis 3 Prozent der Menschen nach Milzentfernung auf. 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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11.04.2019, 14:37 Uhr
Kommentar

Danke sehr Herr Doktor Leidel,

für Ihre Antworten und Geduld.

Ich wünsche Ihnen alles Gut!

Freundlichst.

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