Avatar

Corona-Impfung bei Faktor V

Kategorie: Allgemeinmedizin » Expertenrat Impfungen | Expertenfrage

27.11.2021 | 15:13 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr.Leidel,

als ebenfalls betroffener (Faktor V heterozygot) habe ich nach ihrer Antwort an Dimi70 folgende Anmerkungen und Fragen:

In der am 04.09.2020 im Journal of Hermatology & Oncology veröffentlichten chinesischen Studie "SARS-Cov-2 binds platelets ACE2 to enhance thrombosis in Covid-19" wurde herausgearbeitet und beschrieben, dass der Sars-Cov-2 Erreger über sein Spike-Protein im besonderen Maße die Freisetzung der Gerinnungsfaktoren V und VIII verursacht (Zitat: "...the SARS-Cov-2 virus directly activates platelets and potentiates their prothrombotic function and inflammatory response via Spike/ACE2 interactions" und Zitat: "In addition, the SARS-Cov-2 and its Spike protein directly stimulated Factor V and XIII release as well as LPAs formation"). 

Auf welchen anderen Pathomechanismus beziehen sie sich in ihrer Antwort und können sie diesen kurz beschreiben?

Warum sollte sich ein Träger der Faktor-V Mutation, bei welchem die Inaktivierung (bzw. der Abbau) des gerinnungsförderden aktivierten Faktors Va durch APC nicht möglich ist, einer Impfung aussetzen, welche den Körper dazu veranlasst massenhaft Spike-Proteine herzustellen, welche nach oben zitierter Studie für die erhöhte Freisetzung der Gerinnungsfaktoren V und VIII verantwortlich gemacht werden?

Link zur Studie:

https://jhoonline.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13045-020-00954-7

Helfen Sie mit Ihrer Bewertung: Ja, dieses Thema ist hilfreich!

1
Bisherige Antworten
Experte-Leidel
Beitrag melden
27.11.2021, 17:28 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Frisko,

nach einer Impfung mit einem der beiden zugelassenen Vektor-Impfstoffen wurde als schwerwiegende, in einigen wenigen Fällen sogar tödliche Nebenwirkung sehr selten ein neues Syndrom berichtet, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Thrombose-mit-Thrombozytopenie- Syndrom, TTS) charakterisiert ist. In den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-instituts (PEI) wird darauf ausführlich eingegangen: 

"Die Thrombosen treten hierbei oftmals an ungewöhnlichen Lokalisationen auf, wie beispielsweise in zerebralen Hirnvenen, Milz-, Leber- oder Mesenterialvenen. Bei mehreren der betroffenen Patienten wurden hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (Anti-PF4- Antikörper) sowie eine starke Aktivierung von Thrombozyten in entsprechenden Gerinnungstests nachgewiesen. Dieses Muster ähnelt der "atypischen" oder "autoimmunen" Heparin-induzierten Thrombozytopenie (aHIT). Dabei scheint es sich ersten Ergebnissen zufolge um transiente Antikörper zu handeln, die bei den untersuchten Personen, die zuvor ein TTS entwickelt hatten, zumeist innerhalb von zwölf Wochen nicht mehr nachweisbar waren. Dies ist möglicherweise auch der Grund, warum sehr viel seltener nach der zweiten als nach der ersten Impfung mit Vaxzevria ein TTS in Deutschland berichtet wurde. Verschiedenste Fachgesellschaften haben Empfehlungen zur Behandlung und Therapie des neuen Syndroms publiziert, darunter die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH).

Die GTH führt dazu aus (01.04.2021: "

Ein wichtiger Pathomechanismus wurde mittlerweile innerhalb der GTH unter Führung der Greifswalder Arbeitsgruppe um Andreas Greinacher aufgeklärt. Durch die Impfung kommt es wahrscheinlich im Rahmen der inflammatorischen Reaktion und Immunstimulation zu einer Antikörperbildung gegen Plättchenantigene. Diese Antikörper induzieren dann abhängig oder unabhängig von Heparin über den Fc-Rezeptor eine massive Thrombozytenaktivierung in Analogie zur heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT). Dieser Mechanismus (HIT mimicry) konnte bei Patienten mit einer Sinus-/Hirnvenenthrombose nach Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin im Labor von Andreas Greinacher in Kooperation mit anderen GTH Mitgliedern nachgewiesen werden."

Die Häufigkeit eines TTS ist nach Impfung mit den verschiedenen verfügbaren Impfstoffen variiert (Daten bis 30. Okt. 2021:

Vaxzevria® (Astrazeneca): Frauen: 109 (davon 14 mit tödlichem Ausgang). Dies entspricht 1,78 Fällen pro 100.000 Impfungen. Männer: 79 (davon 11 tödlich). Entspricht: 1,20 pro 100.000 Impfungen.

Covid-19-Vakzine Jansson® (Johnson & Johnson): Frauen: 5 (2), entsprechend 0,45 pro 100.000 Impfungen. Männer: 14 (2), entsprechend 0,67 pro 100.000.

Comirnaty® (BioNTech/Pfizer): Frauen : 17 (4) entsprechend 0,04 pro 100.000 Impfungen. Männer: 15 (1) entsprechend 0,04 pro 100.000 Impfungen.

Spikevax® (Moderna): Frauen: 4 (0) entsprechend 0,08 pro 100.000 Im,pfungen. Männer: 1 (0) entsprechend 0,02 pro 100.000 Impfungen.

Die Faktor V Leiden - Anomalie gilt hierzulande nicht als Risikofaktor.

Nun zu Ihrer Frage: "Warum sollte sich ein Träger der Faktor-V Mutation, bei welchem die Inaktivierung (bzw. der Abbau) des gerinnungsförderden aktivierten Faktors Va durch APC nicht möglich ist, einer Impfung aussetzen, welche den Körper dazu veranlasst massenhaft Spike-Proteine herzustellen, welche nach oben zitierter Studie für die erhöhte Freisetzung der Gerinnungsfaktoren V und VIII verantwortlich gemacht werden?"

Die Häufigkeit spontaner Thrombosen beträgt bei der deutschen Bevölkerung ca. 1%. Bei einer Erkrankung an Covid-19 treten - je nach Quelle - in 20 bis 25% thromboembolische Ereignisse auf.

Es scheint mir vernünftig das offenbar sehr geringe Risiko der Impfung  dem deutlich höheren Risiko der Erkrankung vorzuziehen. Und immerhin sind nach aktuellen Berichten derzeit ca. 70% der Patienten auf unseren Intensivstationen ungeimpft.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

Diskussionsverlauf
Stellen Sie selbst eine Frage!

...an andere Nutzer der Lifeline-Community oder unsere Experten

Stichwortsuche in Fragen und Antworten

Durchstöbern Sie anhand der für Sie interessanten Begriffe aus Gesundheit und Medizin die Beiträge und Foren in der Lifeline-Community.

Übersicht: Expertenrat
afgis-Qualitätslogo mit Ablauf 2024/05: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FUNKE Digital GmbH und sein/ihr Internet-Angebot: https://www.lifeline.de/

Unser Angebot erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.