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Heftige Reaktion auf Bupropion

Kategorie: Leben-Familie » Expertenrat Depression - Burnout - Stress | Expertenfrage

04.02.2024 | 16:06 Uhr
Kontext: Ich (26m) wurde vor 7 Jahren mit schwerer Depression diagnostiziert und habe alles versucht, um wieder gesund zu werden. Seit über 2 Jahren bin ich in Therapie bei einem sehr guten und kompetenten Therapeuten und habe eine Vielzahl von Medikamenten zu verschiedenen Zeiten ausprobiert, besonders während meines Krankenhausaufenthalts aufgrund der Schwere meiner Erkrankung.

Medikamente, die ich von 2018 bis 2019 ohne positive Wirkung versucht habe: Escitalopram (normales SSRI), dann Venlafaxin (SNRI) bis zur off-label Dosierung unter Beobachtung von Blutuntersuchungen (275mg, glaube ich, bin mir nicht mehr sicher). Dann wurde während des Krankenhausaufenthalts Bupropion zum Venlafaxin hinzugefügt, bis zu 300mg. Keinerlei Wirkung. Nichtmal Nebenwirkungen. Dann wurden alle Medikamente abgesetzt, und ich nahm Tianeurax, das auf eine sehr unterschiedliche Weise wirkt (SSRE), aber auch ohne Wirkung. Die Behandlung wurde dann nach einigen Monaten eingestellt.

Nach einigen Jahren, unter der Prämisse "vielleicht hat es damals nicht geholfen, könnte aber jetzt helfen", begann ich erneut mit der medikamentösen Behandlung, während ich in Therapie war. Ich begann Anfang 2022 mit der Einnahme von Sertralin (SSRI), und es hatte eine positive, leicht aufhellende Wirkung. Die Anhedonie blieb jedoch bestehen. Dann hörte ich auf, es einzunehmen, weil ich mich "stabil" fühlte und nicht aktiv depressiv war, obwohl die Anhedonie weiterhin stark war. Ich verschlechterte mich innerhalb von 3 Monaten und begann erneut mit der Einnahme von Sertralin. Die Wirkung war jedoch immer noch schwach, und depressive Symptome blieben bestehen. Aktuell nehme ich 150mg.

Vor kurzem habe ich auch wieder mit der Einnahme von Bupropion (150mg) begonnen unter der gleichen Prämisse "vielleicht hilft es dieses Mal", besonders da meine Symptome auf ein dopaminerges Problem als Ursache meiner Depression hinweisen. Hier kommt der Kicker: Es hat funktioniert. Es hat besser funktioniert als alles zuvor! Mir ging es am ersten Tag besser, dann am zweiten viel besser, und nach 3 oder 4 Tagen fühlte ich mich geheilt und glücklich, zum ersten Mal seit so langer Zeit. Ich hatte auch mehrere starke Nebenwirkungen, die dem "Verlauf" meiner Verbesserung folgten, was bedeutet, dass sie intensiver wurden.
Und jetzt die brutale Wendung: Diese Verbesserung kehrte so schnell um, wie sie kam. Am 5. Tag traten die ersten Symptome wieder auf (in meinem Fall seltsame Muskelzuckungen und einfach das Gefühl von Schmerz und Leid, nebst vielen anderen). Am 6. Tag war die Wirkung komplett verschwunden, und am 7. Tag ging es mir schlechter als vor der Behandlung mit Bupropion.
Gestern, am 8. Tag, war der schlimmste Tag seit vielen vielen Monaten. Das Gleiche gilt für die Nebenwirkungen, sie verschwanden.
Heute war es plötzlich viel besser, mit mehr Energie und Konzentration, weshalb ich die Energie habe, das hier zu schreiben. Ich habe auch wieder ein paar Nebenwirkungen (Nachtschweiß, Schwitzen bei Bewegung, trockener Mund).

Meine Frage ist: Was zur Hölle passiert hier? Warum wirkt Bupropion jetzt plötzlich, und warum wirkt es so extrem volatil, dass ich mich "geheilt" fühle, was ich seit dem Beginn meiner Depression nie mehr erlebt habe, und dann so verdammt schlecht, dass ich alle Hoffnung aufgebe? Ist das normal? Ich finde keinerlei Literatur oder Informationen dazu. Jeder Input zu Dosierung, Zeitpunkt der Medikamenteneinnahme usw. ist sehr willkommen. Ich führe auch gerade ein Stimmungstagebuch, um den Verlauf zu verfolgen, da mein Gedächtnis erheblich beeinträchtigt ist, wenn es mir schlechter geht.

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Bisherige Antworten
Lifeline Gesundheitsteam
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04.02.2024, 18:31 Uhr
Antwort von Lifeline Gesundheitsteam

Hallo Minokrates, 

ja, das ist tatsächlich eine gute und schwierige Frage. Leider ist die Behandlung mit Antidepressiva gerade bei solch schweren Verläufen, wie dem Ihrigen sehr komplex und individuell sehr unterschiedlich.  Das ist in der Psychiatrie ein häufiges Problem, weshalb es oftmals auch so schwierig ist, die geeigneten Medikamente zu finden. Wie Sie selbst auch gemerkt haben, zeigt ein Medikament jetzt Wirkung, welches vor einigen Jahren noch keinerlei Effekt hatte. Was genau dahinter steckt, ist dabei zumeist unklar. Möglich wären hierbei z. B. auch Interaktionen mit anderen Substanzen, wie z. B. Tabakrauch oder ähnlichem, vielleicht auch irgendetwas unbekannten, was nur in der Nahrung vorkommt. Was jetzt in Ihrem Fall genau diese volatilen Veränderungen hervorruft, lässt sich also leider nicht sagen.
Vorstellbar wäre auch, dass irgendwelche psychosozialen oder emotionalen Zustände sich insgesamt geändert haben, ohne dass sie es benennen können. Dadurch könnte sich ebenfalls die Wirkung des Medikaments verändert haben.
Was jetzt theoretisch gemacht werden kann, wäre tatsächlich eine Spiegelbestimmung des Medikaments. Dies erfolgt über eine Blutentnahme und dem Einsenden in ein Speziallabor, von denen es nur eine Handvoll in Deutschland gibt. Damit kann überprüft werden, in welcher Konzentration das Medikament überhaupt in ihrem Körper angekommen ist. Das müsste aber durch den Psychiater vor Ort erfolgen.
Wichtig ist, dass Sie darüber mit ihrem Arzt im Austausch bleiben. Eine Anpassung könnte unter Umständen angebracht sein.
Das Stimmungstagebuch ist eine sehr gute Idee. Dadurch können sich noch mal Muster und Zusammenhänge zu erkennen geben, die sonst eher übersehen werden würden.
Wichtig ist, dass jetzt in engem Austausch mit ihren Behandlern bleiben. Leider können wir keine konkrete Lösung für Ihre Frage anbieten, vielleicht lässt sich aber vor Ort noch etwas verbessern.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen damit weiterhelfen - Ihr Lifeline Gesundheitsteam

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04.02.2024, 20:35 Uhr
Kommentar

Wow, vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort!

Tatsächlich kann ich mir weder Tabak noch ernährungsbezogen groß etwas vorstellen, psychosozial aber definitiv aufgrund von Fortschritten in der Therapie.

Die Spiegelbestimmung werde ich beim Psychiater ansprechen und ihm auch das Stimmungstagebuch vorlegen.

Falls Bupropion am Ende doch scheitern sollte, werde ich nach weiteren dopaminerg wirkenden Antidepressiva, z.B. einem Trizyklischen 2. Generation, ausschau halten. Die Auswahl scheint da aber sehr limitiert... 

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05.02.2024, 17:09 Uhr
Antwort

Mir kam beim Recherchieren eine (zugegeben sehr spekulative) Idee: Bupropion wirkt vermutlich stark bis hauptsächlich über die bei der Hydrolyse entstehenden Metaboliten in der Leber.
Diese Hydrolyse kann wohl nur bei einem halbwegs neutralen pH-Wert erfolgen, und bei pH < 5 wohl kaum noch.

Jetzt betrifft das zwar erstmal meinen Magen, aber ich habe chronisch Sodbrennen und sauren Magen - könnte sich das entsprechend entweder direkt im Magen oder in der Leber (wenn das zusammenhängt) auf den pH-Wert und dementsprechend auf den Abbau auswirken, was wiederum die Wirkung von Bupropion hemmt?

Lifeline Gesundheitsteam
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13.02.2024, 12:05 Uhr
Antwort von Lifeline Gesundheitsteam

Hallo Minokrates,

Verzeihen Sie bitte unsere so späte Antwort.
Gibt es denn schon Neuigkeiten? Hat sich Ihr Psychiater zu der Spiegelbestimmung geäußert? Diese ist am ehesten sinnvoll, um zu überprüfen, ob Sie das Medikament eben sehr schnell verstoffwechseln oder ob Sie sehr stark darauf ansprechen, der größte Nutzen besteht allerdings darin, dass man bei einer wirksamen Dosierung kontrollieren kann, wie hoch die Konzentration des Medikamentes tatsächlich ist, um bei einem Wirkverlust überprüfen zu können, ob das Medikament immer noch ausreichend im Körper vorliegt.
Ihre zweite Frage ist recht spekulativ, wie Sie es schon richtig andeuten. Es ist primär aber nicht davon auszugehen, dass der Magen die Verstoffwechselung des Medikamentes beeinflusst, allerdings kann der saure pH-Wert im Magen eventuell Einfluss auf die Beständigkeit der Kapsel oder Tablette haben. Dadurch könnte der Wirkstoff beispielsweise schneller freigesetzt werden. Das ist aber wie gesagt Spekulation und der Einfluss sollte sich eigentlich in Grenzen halten. Trotzdem ein guter Gedanke von Ihrer Seite.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen damit weiterhelfen - Ihr Lifeline Gesundheitsteam

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