Sehr geehrtes Expertenteam, ich (29) bin vor einigen Monaten mit meinem Freund (31) zusammengezogen. Da mein Freund beruflich sehr engagiert ist und in meinem Heimatort keine gleichwertigen Berufschancen waren, habe ich alles für ihn aufgegeben, meinen gutbezahlten full-time job, meine Wohnung, Freunde und Familie am Ort und bin in die knapp 200 km entfernte Stadt zu ihm gezogen. Ich wollte sehr gerne mit ihm zusammenziehen und war auch so glücklich, dass wir es endlich realisiert haben. Für ihn ist alles mehr oder weniger gleich geblieben, bis auf die Umstellung mit mir in einer neuen Wohnung zu wohnen. Sein Arbeitsplatz ist noch derselbe und seine Freunde und Familie sind auch noch in erreichbarer Nähe. Für mich war es wohl der radikalste Schnitt in meinem Leben (bis her). Dadurch, dass ich bis jetzt noch keine neue Arbeit gefunden habe, bin ich die meiste Zeit Zuhause und renoviere die Wohnung. Manchmal fällt mir total die Decke auf den Kopf, ich fühle mich alleine und unverstanden, weil ich manchmal tagelang mit keinem Menschen mich wirklich austauschen kann. Wenn mein Freund abends (manchmal erst nach 22 Uhr) nach Hause kommt, ist er nicht nur müde, sondern auch recht unkommunikativ und verschwindet meistens vor seinem PC. In meiner Heimatstadt hatte ich viele liebe Freunde und Bekannte und hatte immer, wenn ich wollte, die Möglichkeit für gemeinsame Unternehmungen oder einfach nur zum %27Quatschen%27. Wenn ich meinem Freund %27mein Leid%27 klage, dass ich mich teilweise wie ins Exil geschickt fühle, sucht er nur schnell nach irgendwelchen Lösungen, wie: %27Geh doch mal nachmittags schwimmen oder so%27, aber ich erfahre keinen Trost oder lange Gespräche, die mir bei der Umstellung/Verarbeitung der neuen Situation helfen würden. Er meint, mir wäre mit %27Trost%27 auch nicht geholfen.... und ist ganz enttäuscht von mir, wenn ich seine gutgemeinten Vorschläge einfach %27abschmettere%27 und er meint, wenn ich mir mit seinen Vorschlägen nicht helfn lassen will, dann bin ich für mein %27Unglücklichsein%27 selber schuld und soll mich auch nicht beklagen. Ich bin nur manchmal traurig Abschied von allem, was mein privates Leben ausmachte, genommen zu haben. Ich bereue es zwar nicht, - aber es fällt mir manchmal doch sehr schwer. Bin ich zu wehleidig? Oder ist mein Freund zu unsensibel und ich sollte mehr das Gespräch mit ihm suchen, obwohl er dazu keine Lust hat? Manchmal wird er auch verbal sehr verletzend und genervt? Vielen Dank für Ihren Rat, Kristiane
Einsamkeit nach Umzug
Kategorie: Leben-Familie » Expertenrat Depression - Burnout - Stress | Expertenfrage
Antwort
Hallo Kristiane Es es ist schwerer Schritt alles hinter sich zu lassen, und in eine fremde Stadt umzuziehen. Sie sind keineswegs zu Wehleidig, denn es ist für einen Menschen schrecklich keine Freunde mehr zu haben. Einerseits muss ich jedoch ihrem Freund zustimmen, warum gehen sie nicht unter Leute? Nur wenn sie Ausgehen ob z.b. Schwimmbad, Bummeln, Fitnessclub werden sie neue Leute kennenlernen, mit denen sie früher od. später etwas unternehmen können. Andererseits muss auch er einsehen, dass es für sie schwierig ist, und er musste als Ausgleich auf sie zukommen um z.b. zu Reden oder sie in ein Restaurant einladen. Sagen sie ihm ruhig was sie im Moment empfinden und was ihnen fehlt. Auch er muss einsehen, wenn das so weitergeht wird dies nicht gerade förderlich für die Beziehung sein. Wenn er sie Liebt wird er sich Gedanken machen. Oder machen sie ihm mal den Vorschlag dass sie, sagen wir alle 8-10Tage in ihren alten Heimatort fahren, um Freunde u. Familie zu besuchen, denn 200 KM ist ja nicht die Welt. Ich wünsche Ihnen für die zukunft alles Gute J:K. Dipl. Psychologe
Antwort
Liebe Kristiane, ich finde Ihr momentanes Befinden völlig verständlich. Sie haben Probleme, sich an die neue Situation anzupassen und trauern dem alten Leben hinterher. Ich finde eine angemessene Trauerarbeit sinnvoll, denn nur wenn Sie Abschied nehmen, können Sie die neue Situation radikal akzeptieren. Diese radikale Akzeptanz ist dann irgendwann nötig, um Ihr neues Leben zu gestalten. Problematisch ist, daß viele Dinge, die ihnen vorher Selbstbewußtsein und Bestätigung gaben (z.B. Job, Freunde, FAmilie) nun erstmal wegfallen. Deshalb wäre es wohl wichtig möglichst bald in irgendeiner Form wieder beruflich tätig zu werden. Auch sollten Sie Ihren TAg strukturieren, sich bewußt etwas vornehmen. Das kann von Museumsbesuch, shopping, neuen Hobbies, Sportverein, Kirche, workshop alles mögliche sein. Viell. können SIe auch mal alte Freunde zu sich einladen. Ihrem Freund sollten Sie Ihr momentanes Befinden vorwurfsfrei erklären und sich auf keinen FAll nur auf ihn fixieren. Viele grüße K.Q.