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Nadelstichverletzung

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

02.12.2018 | 17:14 Uhr

Guten Tag,

ich habe mich vermutlich bei dem bergen eines Leichnams bei einer Drogenspritze die sich in der Hand des Verstorbenen befunden hat in einem Interdigitairaum I rechts gestochen. Den Einstich selbst habe ich nicht bemerkt. ich habe nur gesehen das sich unter meinem Einmalhandschuh aufeinmal ein bisschen Blut sammelt. Ich zog den Handschuh aus saugte an der Wunde und disinfizierte sie ca 5min später mit "normalen Hautdisinfektionsmittel". Anschließend führ ich in die Notaufnahme . Dort wurde mir Blut abgenommen und  die Pfleger und die Ärztin sagten mir es gibt kein grund zur Panik. Der Abend kam die Panik kam. Am nächsten Tag habe ich schon die Ergebnisse gehabt alle negativ. Eine Hepatites B Impfung wurde mir empfohlen. Die habe ich sofort gemacht. Ich rief auch bei der Rechtsmedizin an und bat um einen Bluttest des Verstorbenen. Die Rechtsmedizin jedoch rief zwei stunden später an und sagte mir das aus dem Blut des Verstorbenen kein Serum mehr hergestellt werden kann da alles "Matsche" sei. Der D-Arzt bei dem ich war hat noch alles gekrönt er strich einmal über die Wunde sagte "keine Reizung" und kommen Sie in 6 Wochen wieder zur Blutabnahme aber nicht hier sonder da wo die Erste statt fand. Meine Fragen Sind alle unbeantwortet geblieben. Ist das wirklich so ein Bagatellvorfall bei dem man nichts machen kann außer die weiteren Test abzuwarten? Was sagt die Tiefe aus wenn die Wunde geblutet hat? Wie hoch ist das Infektionsriskio durch die Handschuhe? Spielt das eine Rolle wie lange der Tote schon tod war? ICh würde auf mindestens 1-2 Tage schätzen.Raumtemperatur ca 10 grad. Nicht bekleidete Hautstellen schon schwarz und die Haut hat sich schon abgelöst. Habe ich mit dem Aussaugen der Wunde einen Fehler gemacht? Ich habe meine Lehren daraus gezogen den Polizeidienst für Bestatter werde ich in Zukunft nicht mehr machen. Ehrlich gesagt mache ich mir über Hepatites nicht wirklich viel sorgen da das definitiv zu meinem Berufsleben dazugehört. 2 meiner Kollgenen haben bereits "erfolgreiche" hepatites C behandlungen hinter sich. und ich will nicht wissen wie oft ich in 7 jahren mit Fiber eine Hepatites B auskuriert habe. Ich mache mir wirklich große Sorgen über eine HIV Ansteckung.bin ich nach der Blutabnahme in 6 wochen bzw 5 Wochen abgesichert oder wie oft sollte ich mich nochmal testen wegen HIV?

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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03.12.2018, 14:52 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

es ist schwierig, Ihre Frage hier aus der Ferne zu beantworten.

Grundsätzlich kann man sich durch eine Nadelverletzung mit HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C infizieren. Allerdings muss die Nadel natürlich zuvor mit den jeweiligen Viren kontaminiert gewesen sein. Deswegen kommt es zunächst darauf an, ob die Spritze bereits benutzt worden war, was ich vermute. Wahrscheinlich war die Injektion ja der Grund für den Tod. Sodann kommt es darauf an, ob der Verstorbene an einer dieser Infektionskrankheiten erkrankt war. Das konnte seitens der Rechtsmedizin ja in Ihrem Fall leider nicht mehr festgestellt werden.

HIV-Infektionen verlaufen stets chronisch, wobei eine gute Therapie die Viruslast im Blut und damit das Infektionsrisiko deutlich reduziert, meist auf Null. Allerdings werden drogenkranke Menschen eher selten eine solche effektive Behandlung erhalten.

Hepatitis C (HC) verläuft in 60% bis 80% ebenfalls chronisch. Allerdings ist eine Übertragung durch Nadelstichverletzung eher selten. Im medizinischen Bereich kommt es durch die Verletzung mit einer Nadel, die zuvor bei einem infektiösen Patienten benutzt wurde, nur in weniger als 1 % der Fälle zu einer Übertragung. Dass Drogenkranke so häufig infiziert sind, liegt wohl an der häufigen Wiederholung und weniger sachgerecht erfolgenden Injektionen.

Hepatitis B (HB) verläuft in etwa 10% chronisch, ist aber relativ leicht auf diese Weise übertragbar.

Wie das Infektionsrisiko bei Nadelstichverletzungen an Leichen aussieht, hängt natürlich von der bereits verganenen Todeszeit ab. Solide Studien hierzu habe ich nicht gefunden.

Ich weiß nicht, welche Untersuchungen in der Notaufnahme veranlasst wurden. Idealerweise hätte man Tests zur Erkennung einer vorbestehenden HIV-, HBV- und HCV-Infektion durchgeführt. Und vom Ergebnis das weitere Vorgehen abhängig gemacht.

Wären bei Ihnen Antikörper gegen HBV oder HCV gefunden worden, hätte man gegen diese beiden Infektionen nichts unternehmen müssen. Hinsichtlich HIV wäre eine Postexpositionsprophlaxe (PEP) möglich gewesen. Offenbar wurde das Risiko so gering eingeschätzt, dass dies nicht in Betracht gezogen wurde. Eine PEP nach HCV-Infektion gibt es im Grunde nicht. Wenn Sie keine Marker einer bereits durchgemachten Hepatitis B gehabt haben sollten, hätte man impfen und simultan Hyperimmunglobulin geben können. Aber - wie gesagt - wahrscheinlich wurde das Übertragungsrisiko als zu gering eingeschätzt.

Das Ihre Wunde geblutet hat, bedeutet nur, dass die Haut durchdrungen und ein Blutgefäß verletzt wurde. Auswirkungen auf das Infektionsrisiko sehe ich dabei nicht. Das Risiko geht von der Nadel aus. Ob beim Durchstechen des Handschuhs möglicherweise vorhandene Erreger abgestreift worden wäre, kann nicht geklärt werden. Welche Auswirkungen ein Todeseintritt vor 1 bis 2 Tagen auf die Infektiosität gehabt haben könnte, ist unklar. Im Aussaugen der Wunde sehe ich keinen Fehler, es wird jedoch auch nicht viel gebracht haben. 

Eine erneute Blutuntersuchung nach 6 Wochen ermöglicht eine sichere Aussage hinsichtlich HIV, wenn ein moderner Suchtest der 4. Generation verwendet wird. Auch hinsichtlich HBV wird das Ergebnis zuverlässig sein. Hinsichtlich HCV dauert es im Allgemeinen länger bis zur Sicherheit, aber das rRsiko scheint mir auch das geringste zu sein.

Ich drücke Ihnen die Daumen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

 

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05.12.2018, 23:39 Uhr
Kommentar

Die Spritze befand sich definitiv in der vene des verstorbenen. Die Spritze muss aber noch vor dem Eintritt des Todes vom verstorbenen entfernt worden sein. So das die Spritze sich 1-2 Tage "an der Luft" befand? Damit ich sie auch richtig verstanden habe das Hepatites b und HIV Risiko ist am höchsten und Hepatites c am geringsten? Im Internet finde ich immer nur diese 30% 3% und 0.3% Antwort. Wäre eine Prophylaxe ihrer Meinung nach sinnvoll gewesen?

Experte-Leidel
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07.12.2018, 09:56 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag,

meine Risikoabschätzung bezog sich vor allem auf Nadelstichverletzungen im medizinischen Bereich, was ja auf Ihre Situation am besten passt.

Ich glaube nicht, dass eine postexpositionelle Hepatitis B-Prophylaxe erforderlich gewesen wäre. Aber wir alle wissen ja nicht mit Sicherheit, welche Risiken eventuell bestanden haben könnten. Und in dieser Situation wäre die Hepatitis B-Prophylaxe zumindest nicht abwegig gewesen. Mit dem erfolgten Beginn der Hepatitis B-Impfung ist ja auch etwas durchaus Sinnvolles in Richtung B-Prophylaxe geschehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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