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Masernimpfung mit 10 Monaten

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

03.04.2020 | 09:25 Uhr

Hallo Dr Leidel,

mir ist noch eine Frage eingefallen, dieses mal ganz pragmatisch. Mich irritieren die Empfehlungen zur Masernimpfung. Wir haben damals unsere Große mit 10 Monaten wegen einer bevorstehenden Reise nach Tirol mit MMR impfen lassen, weil sie dort Kontakt zu Kindern haben würde. Unser Kinderarzt war zunächst etwas zögerlich, impfte dann aber doch. Jetzt habe ich gehört, dass die Wirksamkeit einer vorgezogenen Impfung reduziert sein kann und auch mit der zweiten Impfung immer schwächer ausfallen wird, als eine nicht vorgezogene und das sie wahrscheinlich auch weniger lange hält. Andererseits haben die Schweiz und Österreich ihre Empfehlungen dahingehend geändert und impfen jetzt alle mit 9 Monaten. Ist unsere Tochter jetzt schlechter geschützt? Könnte eine dritte Impfung helfen oder ist das irreparabel? Wie viel schlechter fällt denn der Schutz nun aus? Das wurde beim Impfen leider alles nicht thematisiert.

Noch etwas: Man liest immer mal wieder etwas über mitigierte Masern. Kommt so etwas häufig vor? Bei der Impfkontrolle im Kindergarten kam heraus, das ausgerechnet die Erzieherin eine Auffangimpfung nicht hatte. Genau diese Erzieherin ist immer sehr penetrant nahe an das Neugeborene getreten (Kopf in den Kinderwagen gesteckt), als ich die Große abgeholt habe. Eine unbemerkte Maserninfektion wäre wohl eher eine Rarität, oder?

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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03.04.2020, 13:32 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag, Puderzucker,

es ist ja schön, dass Sie eine so positive Einstellung zu den Schutzimpfungen Ihrer Kinder haben. Aber es ist wenig sinnvoll, eine sehr theoretische und eigentlich wenig praxisrelevante wissenschaftliche Diskussion aufzugreifen und aus einer Riesenstatistik den allerbesten Termin für Ihr Kind auszuwählen oder sich Sorgen zu machen, weil nicht der "allerbeste", sondern nur ein sehr guter Termin gewählt worden war.

Die Impfung gegen Masern (MMR oder MMR-V) kann ab 9 Monaten gegeben werden. Für noch frühere Impfzeitpunkte liegen keine ausreichenden Daten über Wirksamkeit und Verträglichkeit vor. Unter anderem wegen eines im 9. Lebensmonat des Kindes etwa noch bestehenden "Nestschutzes" durch mütterliche Antikörper empfiehlt die STIKO (wie die meisten derartigen Institutionen) die 1. Impfung zwischen dem 11. und dem 14. Monat. Mindestens 4 Wochen, jedoch spätestens 3 Monate nach der ersten Impfung sollte eine zweite erfolgen.

Allerdings kann die Impfung bei Kontakt zu Masernkranken oder bei der geplanten Aufnahme in eine Kita oder drgl. auch schon mit 9 Monaten begonnen werden.

Da immer öfter die Mütter selbst schon geimpft waren und die bei Ihnen vorhandenen Antikörper auf einer Impfung beruhen, was einen geringeren Nestschutz bedeutet, überlegt man in manchen Ländern (auch in Deutschland), ob man die Impfung nicht generell bereits mit 9 Monaten beginnen sollte.

Das wussten Sie auch schon vorher. Aber ich wollte die gut begründeten offiziellen Empfehlungen nochmal zusammenfassend darstellen. Wegen einzelner, z. T. veralteter Studien, die ein späteres Impfalter empfehlen, sollte man sich nicht verunsichern lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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03.04.2020, 14:42 Uhr
Antwort

Hallo Dr. Leidel,

 

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Das hat es jetzt klarer gemacht. Können Sie auch was zum Punkt atypische Masern sagen? 

Liebe Grüße 

Experte-Leidel
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03.04.2020, 15:02 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Entschuldigung, das hatte ich vergessen.

In erster Linie steht dieser Begriff im Zusammenhang mit Masern-Totimpfstoffen, die Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre in Deutschland z. T. angewendet wurden. Diese Impfstoffe boten nur einen unzureichenden Schutz. Und wenn es bei damit geimpften Personen dann zu einer Durchbrucherkrankung kam, verliefen die Masern nicht typisch, sondern eben atypisch. Das heißt, es gab nicht den typischen Masernausschlag und die Erkrankung verlief häufig als schwere  Lungenentzündung.

Manchmal findet man die Bezeichnung auch für andere ungewöhnliche Verläufe einer Masernerkrankung z. B. bei schwer immungeschwächten Personen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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03.04.2020, 15:10 Uhr
Antwort

Entschuldigen Sie die Nachfrage, heißt das, Masern können nicht unbemerkt verlaufen?

Experte-Leidel
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03.04.2020, 15:32 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Entschuldigung; ich habe jetzt Ihre Ursprungsfrage nochmal gelesen.

Da sprechen Sie ja die sog. "mitigierten Masern" an. Dabei handelt es sich im Allgemeinen um einen abgeschwächten Infektionsverlauf.  Diese werden bei Menschen beobachtet, bei denen infolge mütterlicher oder transfundierter Antikörper (Neugeborene oder nach Antikörpersubstitution) oder einer nicht vollständig ausgebildeten Impfimmunität die Virusvermehrung gestört ist. Der Ausschlag ist in diesen Fällen nicht voll ausgebildet, so dass eine Diagnose erschwert ist und oftmals nicht gestellt wird. Auch bei solchen mitigierten Masern muss man aber mit Ansteckungsfähigkeit rechnen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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03.04.2020, 19:51 Uhr
Antwort

Es tut mir leid, ich will nicht lästig sein, aber die Frage war ja, ob so etwas häufig vorkommt oder eher die Ausnahme darstellt, dass das Kind unbemerkt Masern hätte. Abgesehen von der ungeimpften Erzieherin haben wir hier im Stadtteil viele ungeimpfte Kinder. Daher die Frage. Oder kann ich davon ausgehen, dass wahrscheinlich nichts passiert ist, wenn keine Symptome vorhanden sind.

Experte-Leidel
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03.04.2020, 21:02 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Es tut mir leid, offenbar bin ich schwer von Begriff. Was macht Ihnen denn konkret Sorgen? Ist es die Frage, ob Ihre Kinder unbemerkt die Masern hatten? das klaube ich keinesfalls. Oder das andere Kinder längst unbemerkt die Masern hatten, obwohl sie nicht geimpft sind? Darauf würde ich mich nicht verlassen. Oder geht es Ihnen um Fälle von mitigierten Masern? Die sind sicher sehr selten

Vielleicht erklären Sie mir einmal, was genau Ihre Sorge ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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03.04.2020, 22:33 Uhr
Kommentar

Vielleicht habe ich mich auch ungeschickt ausgedrück: In unserem Kindergarten wurden wegen der Impfpflicht alle kontrolliert und dabei kam heraus, dass die Erzieherin keine Auffangimpfung hatte, die in den letzten Wochen immer sehr nah ans Baby (3 Monate) kam, als ich meine Große vom Kindergarten abholte. In dem Zusammenhang habe ich mich gefragt, auch weil wir in einer impfmüden Ecke wohnen, ob es tatsächlich möglich wäre, dass mein Baby Masern gehabt hätte, ohne das ich es bemerkt hätte. Das große Sorgenthema ist die SSPE und ich würde nur gerne wissen, ob Sorgen begründet sind, wenn es nie Symptome gab. Natürlich hatte das Baby immer mal wieder Pickelchen seit der Geburt. Aber die haben sich nur auf Gesicht (Backen) und Ausschnitt begrenzt.

LG

Experte-Leidel
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04.04.2020, 12:49 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Puderzucker,

jetzt habe ich Ihr Anliegen verstanden. Allerdings weiß ich nicht, was genau Sie mit Auffangimpfung meinen. 

Es kommt in unserer heutigen Zeit - wenn überhaupt - äußerst selten vor,  dass eine Maserninfektion unbemerkt geblieben wäre. 2014 hat das Robert-Koch-Institut ausgeführt: 

  • Masern sind eine hochansteckende Erkrankung (Kontagions- und Manifestationsindex nahe 100%, d.h. bei Kontakt stecken sich fast alle Nicht-Immunen an und erkranken auch typisch (RKI 2014)

Und die amerikanische Gesundheitsbegörde CDC schrieb 2015

  • "an asymptomatic carrier state has not been documented"  (ein symptomloser Trägerstatus ist nicht dokumentiert).

Also: Sie machen sich schon genug Sorgen um Ihre Kinder. Diese Sorge können sie getrost vergessen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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