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Impfungen im der Schwangerschaft

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

01.10.2018 | 21:47 Uhr

Guten Abend Her Dr. Leidel, 

ich wollte einmal ihre Einschätzung bezüglich des Impfens in der Schwangerschaft. 

Ich bin absoluter Impfbefürwörter, nur in der Schwangerschaft doch skeptisch und habe Angst um das Ungeborene. 

Zum Einen ist die Grippeimpfung nun vorrätig. Meine Frauenärztin meinte nur, ja kann man machen, aber mehr auch nicht. Ich befinde mich in der 34.SSW. Wenn alles soweit gut geht, wird unser Baby eine Woche circa vor Entbindungstermin geholt.

Ich würde mich jetzt nur impfen lassen wegen des Nestschutzes. Gibt es diesen bei der Grippeimpfung bzw. baut er sich noch auf?

Ansonsten würde ich mich direkt nach der Geburt impfen lassen.

 

Des Weiteren wollte ich ihre Meinung zum Thema Keuchhusten Impfung wissen. Ich weiß, dass sie in Deutschland nicht empfohlen ist. Auch hier geht es mir nur um den Nestschutz. Ich wurde 2014 das letzte Mal geimpft. Meine Frauenärztin wusste gar nichts von dieser Impfung in der Schwangerschaft und mein Hausarzt hat mir abgeraten.

Ich habe leider gelesen, dass man nicht weiß wie sich das darin enthaltene Aluminium auf das Baby auswirkt.

Wäre eine Impfung jetzt überhaupt noch sinnvoll?

Man liest immer wieder, dass es eigentlich noch keine wirklich aussagekräftigen Studien bezüglich des Impfen in der Schwangerschaft gibt. Ich weiß nicht was richtig und was falsch ist....

 

Die letzte Frage betrifft meine Tochter. Ich habe Sie schon einmal etwas Ähnliches gefragt, wurde nun wieder total verunsichert.

Unsere Tochter wurde am 10.2.17 geboren.
Am 7.12.17 erhielt sie die erste MMR Impfung und am 1.3.18 die zweite MMR Impfung. Die erste wurde ohne Varizellen gegeben. Diese erhielt sie mit 11 Monaten und die zweite MMR wurden Kombination mit Varizellen gegeben.
Nun gibt es wohl eine Studie, die besagt, wenn man vor dem ersten Geburtstag MMR impft, dann würde die Impfung nicht sicher wirken und auch eine zweite Impfung würde die erste nicht mehr auffangen und der Schutz wäre geringer.
Können Sie mir dies erklären?
Ich selbst habe Biologie studiert, verstehe aber hier den Sachverhalt nicht. Dass eine frühe erste Impfung eventuell durch mütterliche AK abgeschwächt werden kann, leuchtet mir ein. Aber weshalb sollte dann die zweite Impfung schlechter wirken? 

Schlagen Sie vor eine Titerbestimmung machen zu lassen?
Ich bin so verunsichert, weil ich einen frühestmöglichen Schutz für mein Kind wollte und nun Angst habe, dass ich genau das Gegenteil erreicht habe.

Und birgt eine frühere Impfung Gefahr doch an SSPE zu erkranken?

Ich verstehe auch wahrlich gesagt die ganzen Diskussionen mit den mütterlichen AK nicht. Wird z.B. Gegen Tetanus geimpft, wird ja öfter geimpft, weil der Schutz schrittweise aufgebaut wird. Aber hier müssten doch dann auch immer bereits niedrige Konzentrationen an AK vorhanden sein, die eventuell den Impferfolg etwas beeinträchtigen. 
Oder wo liegt hier mein Denkfehler?

Ich hoffe Sie können mich beruhigen. Ich bin so verunsichert.


Herzlichen Dank für Ihre Einschätzung und Hilfe!

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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02.10.2018, 15:02 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Svenja,

Grundsätzliches:

Grundsätzlich sollte man während einer Schwangerschaft zurückhaltend sein mit Arzneimitteln oder Schutzimpfungen. Es gilt der Grundsatz: So wenig wie möglich und so viel wie nötig (bzw. sinnvoll).

Bei den Schutzimpfungen ist es so, dass man Impfstoffe aus abgetöteten Erregern auch während einer Schwangerschaft verwenden kann, sog. Lebendimpfstoffe aber (mit wenigen Ausnahmen) nicht. 

Grippe:

Die Impfung Schwangerer gegen Grippe zählt eindeutig zu den besonders sinnvollen Impfungen. Eine Grippeerkrankung in der Schwangerschaft stellt eine ernste Situation für Mutter und ungeborenes Kind dar. Das hohe Fieber kann ein wichtiger Grund für Fehlgeburten sein und außerdem erhöht die Grippeerkrankung der Mutter das Risiko, wegen einer Erkrankung des Herzens oder der Lungen ins Krankenhaus zu müssen, deutlich. Daher empfiehlt die STIKO seit einigen Jahren ausdrücklich die Impfung gegen Grippe in der Schwangerschaft. Es hat sich auch herausgestellt, dass das Neugeborene tatsächlich ebenfalls durch den Nestschutz in den ersten Monaten einen gewissen Schutz hat. Es gibt nach zahlreichen Studien auch keinen Hinweis darauf, dass durch diese Impfung ein Nachteil für Mutter oder Kind besorgt werden müsste. Insofern spricht alles für diese Impfung.

Nun ist Ihre Schwangerschaft bereits weit fortgeschritten. Und wenn hier tatsächlich die Grippewelle einsetzt (meist so gegen Weihnachten), ist Ihr Kind ja bereits geboren. Aber wenn Sie Ihrem Kind für seine erste Grippesaison den Nestschutz geben möchten (was ich genau wie Sie für durchaus sinnvoll halte), spricht dies für die Impfung.

Keuchhusten:

Bis Mitte der 1990er Jahre wurde überall, so auch in Deutschland ein sog. Ganzkeim-Impfstoff gegen Keuchhusten verwendet, der z. T. heftige Nebenwirkungen und unerwünschte Reaktionen verursachte. Mit diesem impfstoff hätte man Schwangere wohl nicht geimpft.

Heute kommen nur sog. azelluläre Impfstoffe gegen Keuchhusten zur Anwendung. Sie sind erheblich besser verträglich, leider aber auch weniger effektiv.

Neugeborene und junge Säuglinge, die ja selbst noch nicht durch eigene Impfung geschützt sein können, sind durch Keuchhusten besonders gefährdet. Die STIKO empfiehlt daher bislang eine sog. Kokon-Strategie: Alle Menschen mit engem Kontakt zu dem Säugling sollten geimpft sein, damit sie das Baby nicht anstecken können, also Vater, Mutter, ältere Geschwister, Oma, Opa usw.Leider wird das in Deutschland viel zu wenig umgesetzt. Daher denkt auch die STIKO derzeit über eine Empfehlung zur Impfung Schwangerer gegen Keuchhusten nach. Wenn die STIKO eine bestimmte Impfung nicht empfiehlt, bedeutet das keinesfalls, dass sie davon abrät. Meist hat sie sich nur noch nicht abschließend mit der Frage beschäftigt.

Dezeit werden Schwangere in den USA, Kanada, Großbritannien, Portugal, Tschechien, Belgien und der Schweiz geimpft, meist zwischen der 27. und 36. SSW. Die entsprechenden Impfstoffe sind auch in Deutschland für Schwangere zugelassen.

Es gibt keine Hinweise auf eine nachteilige Wirkung der Keuchhusten-Impfung in der Schwangerschaft. Das Aluminium im Impfstoff (ohne das die Impfung wesentlich schlechter wirksam wäre) gilt weltweit von Seiten der Zulassungs- und Kontrollbehörden als unproblematisch. Es wirkt vor allem an der Injektionsstelle, also bei der Mutter, aber kaum bis gar nicht beim Kind.

MMR:

Machen Sie sich keine Sorgen. Zugelassen ist der Impfstoff ab dem 9. Lebensmonat, empfohlen wird er derzeit normalerweise ab dem 11. Allerdings rät auch die STIKO zu einem Vorziehen auf 9 Monate bei geplanter Aufnahme in eine Tagespflege oder Kita. Derzeit beschäftigt sie sich mit der Frage, ob man nicht auch die generelle Empfehlung ab dem 9. Monat aussprechen solle.

Das hängt damit zusammen, dass immer weniger Mütter durch eine Wildinfektion immunisiert werden. Die meisten sind selbst geimpft und dann hält der Nestschutz weniger lange vor. Die Studie, von der Sie sprechen, kenne ich nicht. Die STIKO empfiehlt jedenfalls bei einer ersten Impfung mit 9 Monaten die zweite Impfung auch vorzuziehen und zu Beginn des 2. Lebensjahres durchzuführen.

Das Risiko einer SSPE als Foögekrankheit wird durch die frühere Impfung nicht erhöht, vor allem, wenn das Kind durch die zweite Impfung eine zweite Chance hatte. Die Titerbestimmung wird eigentlich nicht empfohlen. Die Testverfahren sind insbesondere im unteren Bereich nicht immer gut standardisiert und liefern nicht immer reproduzierbare Ergebnisse. Ich habe es häufiger erlebt, dass trotz negativem Ergebnis im Routinelabor im Nationalen Referenzzentrum ein positiver Titer bestimmt wurde. Au0ßerdem geht es nicht nur um die Antikörper, sondern auch um die zellvermittelte Immunität.

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen

Dr. Jan Leidel

 

 

 

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02.10.2018, 16:03 Uhr
Antwort

Sehr geehrter Herr Dr.Leidel,

 

Vielen Dank für ihre ausführliche Antwort.

Eine Frage hätte ich noch zur Grippeimpfung.

Leider bin ich im Moment erkältet und angeschlagen. Mein Hausarzt impft erst wenn ich wieder gesund bin, also wird es vermutlich nichts vor Ende der 35.SSW bzw. Anfang 36.SSW.

Kann sich in 3 bis 4 Wochen ein ausreichender Nestschutz aufbauen?

 

Und dann wollte ich gleich noch was ganz anderes fragen. Wir wohnen auf dem Land und heute habe ich in unserer Küche (ich habe mir nichts dabei gedacht, da wir echt hygienisch wohnen und ich wirklich auf Sauberkeit achte), nachdem ich mit Socken hineingestanden bin, eine braune zerquetschte Kugel aufgehoben und in der Hand gehalten.

Ich weiß absolut nicht was das aus der Küche gewesen sein soll und vermute daher, dass es sich um Tierkot leider handelt. Wobei ich mir auch nicht erklären kann woher....die Kugel hatte im zerdrückten Zustand einen Durchmesser von circa 1 cm, war braun und mit weißen Punkten versehen. Fledermauskot schließe ich aufgrund der Größe und Konsistenz aus.

Ich habe daraufhin den Boden gewischt, meine Hände gewaschen und desinfiziert. An der Handinnenseite hatte ich keine offenen Stellen, nur oben. An der Fußsohle habe ich leider immer noch eine Dornwarze, die aber ja von Socken bedeckt war.

Kann hier irgendeine Infektion über den eventuellen Tierkot erfolgen?

 

Ich denke an Hanta, Tollwut etc....

Sie schreiben hier, dass Tollwut nicht durch Tierkot übertragen wird, da die Viren nicht in den Kot ausgeschieden werden. Mich verwirrt nur die Aussage des RKIs, die schreiben, dass Kot bei intakter Haut nichts macht.

Sind nun Viren im Kot vorhanden oder definitiv nicht?

Und reichen diese Hygienemaßnahmen aus?

 

Vielen lieben Dank für all ihre Mühe!

Experte-Leidel
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03.10.2018, 18:55 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Abend Svenja,

das Immunsystem benötigt ca. 14 Tage für seine Reaktion. Dann treten die gebildeten Antikörper auch auf das ungeborene Kind über.

Erschrocken bin ich darüber, dass nun auch Sie sich der großen Gruppe der Tollwut-Phobiker angeschlossen zu haben scheinen, die mir meine eigentlich so schöne Aufgabe sehr, sehr schwer machen. Ich gebe hier nochmal die Angaben auch des RKI zu möglichen Risikosituationen und empfohlenen Maßnahmen in Bezug auf Tollwut wieder:

  1. Berühren/Füttern von Tieren, Belecken der intakten Haut: Kein Risiko, keine Maßnahmen.
  2. Nicht blutende, oberflächliche Kratzer oder Hautabschürfungen,  Lecken oder Knabbern an der nicht intakten Haut: Tollwut-Schutzimpfung, kein Immunglobulin.
  3. Bissverletzungen oder Kratzwunden, Kontakt von Schleimhäuten oder Wunden mit Speichel (z. B. durch Lecken), Verdacht aufBiss oder Kratzer durch eine Fledermaus oder Kontakt der Schleimhäute mit einer Fledermaus: Tollwut-Schutzimpfung und Gabe von Tollwut-Immunglobulin.

Das Berühren fraglicher Kotkügelchen mit derr unverletzten Hand, die danach gesäubert und desinfiziert wurde, gehört nicht zu den Risikosituationen. Tatsächlich sehe ich hier keinerlei Gefährdung.

Die Diskussion darüber, ob im Kot Tollwutviren vorhanden sein können, ist sehr akademisch. Natürlich kann im Grunde alles, was im Maul gewesen ist, auch im Kot erscheinen. Aber auf dem Weg durch den Verdauungskanal bleibt davon nicht viel übrig. Die Viren vermehren sich nicht im Darm.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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