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Herpes und Hepatitis B

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

04.04.2019 | 17:09 Uhr

Guten Tag

Erstmal Hut ab vor Ihrer Geduld bei der Beantwortung all der Fragen in diesem Forum. Ich habe mir sehr viele Beiträge durchgelesen und finde es echt bewundernswert, mit wie viel Einsatz Sie hier den verschiedensten Menschen helfen. Herzlichen Dank dafür!

Auch ich gehöre leider seit meiner Schwangerschaft zu den überängstlichen Müttern. Meine Tochter ist mittlerweile fast 5Monate alt und meine Ängste um sie kreisen hauptsächlich um die Themen Herpes und Hepatitis B (Sie können diese Fragen wohl langsam nicht mehr hören...). Mein Umfeld versucht mich immer wieder zu beruhigen. Was mal besser und mal weniger gut gelingt. Daher hoffe ich sehr, dass Sie als Experte endlich etwas Ruhe in meine Ängste bringen können. Folgende Fragen beschäftigen mich:

I. Herpes

Herpes soll für Säuglinge ja sehr gefährlich sein. Ich selbst hatte in meiner Jugend ab und zu ein Bläschen an der Lippe, in den letzten Jahren wurde ich aber davon verschont. Meine Tochter habe ich natürlich geboren und ich stille sie noch voll. Erhält sie dann auch Herpes-Antiviren von mir?

Wenn mir jemand mit einer Fieberblase an der Lippe die Hand schüttelt, nachdem er sich an die Blase gegriffen hat, können die Viren dann an meiner sehr trockenen Hand haften bleiben und ich sie dann auf mein Kind übertragen? Reicht Händewaschen aus, um die Viren loszuwerden?

Wie verhält es sich wenn mich jemand mit einer Fieberblase an-niest oder an-hustet. Sind die Viren dann überall verteilt und infektiös für mein Kind?

Können Herpesviren auf Gegenständen überleben? Wenn ja, wie lange?

II. Hepatitis B

Ich selbst wurde nie gegen Hepatitis A + B geimpft. Bin aber auch noch nie daran erkrankt. Der Termin für meine Impfung steht bereits. Meine Tochter wurde im Alter von 2 und 4 Monaten mit der 6-fach Impfung geimpft. Die nächste 6-fach Impfung wird gemäss Schweizer Impfplan mit 12 Monaten stattfinden. Wie sieht ihr Impfschutz bezüglich Hepatitis A+B nach den zwei erfolgten Impfungen aus?

Wenn ich irgendwo im Alltag mit fremdem infiziertem getrockneten / frischem Blut in Kontakt komme und danach meine Tochter anfasse (an den Händen die im Mund landen oder beim Wickeln usw), kann sie sich dann mit Hepatitis B anstecken?

Wenn ich nach dem Kontakt mit fremdem infiziertem Blut Dinge anfassen muss wie zB den Kinderwagen, das Lenkrad usw. Sind diese Gegenstände dann kontaminiert? Sollten diese Dinge dann desinfiziert werden?

Können Hepatitisviren ausserhalb des Körpers überhaupt überleben? Wenn ja, wie lange?

Reicht nach dem Kontakt mit fremdem Blut normales Händewaschen aus um allfällige Viren loszuwerden?

 

So, danke dass Sie sich die Zeit genommen haben um meinen Roman zu lesen. Ich hoffe, meine Fragen verständlich ausgedrückt zu haben. Nochmals herzlichen Dank für Ihre wertvolle Arbeit!

Liebe Grüsse

Nicole

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Experte-Leidel
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06.04.2019, 11:49 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Nicole_b1989,

gerne will ich Ihnen etwas zu Ihren "Angstgegnern" unter den Krankeitserregern schreiben:

Herpesviren:

Die eigentlichen Herpesviren (Herpes simplex-Viren) gehören zusammen mit weiteren Viren zur einer ganzen Familie von "Herpesviren". Wichtige andere Familienmitglieder sind Varizellen (Windpocken-) Virus (gegen das man impfen kann), Zytomegalievirus, Epstein-Barr-Virus u. a. m. Alle Mitglieder dieser Familie haben gemeinsam, dass sie aus einem Menschen, den sie einmal infiziert haben, nicht wieder verschwinden. Sie verstecken sich in jeweils typischen Zellen (Herpes simplex z. B. in Nervenzellen), in denen sie eine Art "Winterschlaf" halten Aus diesem können sie aus verschiedenen Gründen wieder wach werden und dann zu unterschiedlichen Symptomen führen. Auch Sie haben sich offenbar irgendwann mit Herpes angesteckt, und die Fieberbläschen, die früher bei Ihnen afgetreten sind, waren die Reaktivierungen der schlummernden Viren. 

Bei den Herpes simplex-Viren des Typ 1 sind die Fieberbläschen an den Lippen oder an anderen Hautstellen nämlich Ausdruck der Reaktivierung, beim Typ 2 findet man entsprechende Bläschen im Bereich der Geschlechtsorgane. Bei den Windpocken, die ja ebenfalls zur Familie der Herpesviren gehören, ist es die Gürtelrose.

Herpesviren des Menschen sind sehr an uns Menschen gwöhnt und befallen kaum andere Lebewesen. Die allermeisten Menscehn infizieren sich irgendwann, Man kann dem nicht wirklich entgehen. Die Infektionen beginnen unter Umständen schon bei der Geburt (vor allem Typ 2) oder in der Neugeborenen- oder Säuglingszeit. Gegen Ende der Pubertät sind über 85 % infiziert und das nimmt dann weiter auf bis zu über 95 % zu.

Daran sehen Sie, dass diese Viren im Allgemeinen nicht so furchtbar gefährlich sind. Aber - da haben Sie recht - sie können in Einzelfällen auch gefährlich sein und z. B. eine Entzündung des Gehirns verursachen. Dagegen gibt es heute glücklicherweise wirksame Medikamente. Häufiger führt die Infektion im Säuglings- oder Kleinkindesalter zu einer Bildung schmerzhafter Bläschen im Mund, die auch wieder verschwinden, aber z. B. als Herpes labialis (Fieberbläschen) auch wiederkommen können.

Man kann gegen die Herpes simplex-Viren (anders als gegen Windpocken) nicht impfen. Man kann nur darauf achten, dass Menschen mit Fieberbläschen z. B. an den Lippen den Kleinen sicht zu nahe kommen und sie z. B. küssen. Aber irgendwann werden sich die allermeisten doch infizieren.

Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt Mensch - Mensch. Auf Gegenständen haftende Viren können im allgemeinen nicht zu einer Ansteckung führen. Außerdem sind diese Viren relativ wenig stabil.

Fazit: Man kann sich und seine Lieben nicht wirklich vor Infektionen mit Herpesviren schützen. In den allermeisten Fällen verlaufen die Infektionen nicht besonders schlimm und gefährlich. Gegen die durchaus gefährliche Gehirnentzündung gibt es wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Die Übertragung von Antikörpern beim Stillen verleiht möglicherweise etwas Schutz, aber das ist durchaus nicht sicher. 

Hepatitis B:

Der Schweizer Impfplan wurde aus guten und nachvollziehbaren Gründen verändert. Statt des älteren 3 + 1 Schemas gilt heute das 2 + 1 Schema so, wie Sie schreiben. Deutschland hat sich hierzu noch nicht entschlossen. Aber das liegt nicht an der Hepatitis B-Komponente, sondern eher an Keuchhusten und der Hib-Impfung. Außerdem werden in Deutschland zu häufig einzelne Impfungen vergessen.

Der Schutz gegen Hepatitis B ist nach den drei Impfungen zumeist sehr gut.

Hepatitis B wird hauptsächlich durch Blut zu Blut-Kontakte übertragen bzw. durch sexuelle Kontakte. Wenn Sie frisches Blut eines Hepatitis B-Kranken am Finger haben und diesen Ihrer Tochter ins Mündchen stecken, wird es nicht zu einer Infektion kommen. Gegenstände spielen keine praktische Rolle, es sei denn es handelt sich um eine Spritze, die zuvor bei einem Hepatitis B-Patienten verwendet wurde. Man kann davon ausgehen, dass der Schutz für die Zeit der Kindheit und Jugend in den allermeisten Fällen bestehen bleibt. Wenn es später dann zu einem neuen Risiko kommt (z. B. medizinischer Beruf, Partnerschaft mit einem infektiösen Partner usw.) sollte man nochmals impfen und dann den Titer kontrollieren. 

Gegen Hepatitis A wird in Deutschland (und meines Wissens auch in der Schweiz) nicht routinemäßig geimpft. Hier ist die Hepatitis A in aller erster Linie eine "Reiseimpfung".

Wenn Sie Ihre drei Impfungen erhalten haben, verfügen Sie in aller Regel über einen guten Schutz gegen Hepatitis A und B.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

 

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08.04.2019, 13:05 Uhr
Antwort

Guten Tag Herr Leidel

Vielen herzlichen Dank für Ihre umfangreiche Antwort, die mich in vielen Punkten beruhigt hat. Dennoch hätte ich noch ein Paar Rückfragen:

1. Wissen Sie vielleicht, bis zu welchem Alter eine Herpesinfektion für einen Säugling wirklich gefährlich werden kann? Ist meine Tochter mit 5 Monaten aus dieser kritischen Zeit herausgewachsen?

2. Es gibt eine Studie die behauptet, Herpesviren könnten auf harten Oberflächen bis zu 8 Wochen überleben. Verstehe ich das richtig, dass “überleben“ noch lange nicht bedeutet, dass sie dann auch noch infektiös sind?

3. Verfügt meine Tochter nach der 2. 6-fach Impfung auch schon über einen gewissen Schutz vor diesen geimpften Krankheiten? Oder ist dieser Schutz wirklich erst nach der 3. Impfung gegeben?

4. Wie viel Hygiene ist in einem Haushalt mit Baby wirklich nötig? Wenn ich etwas „kontaminiertes“ anfasse und dann weitere Dinge wie Handy, Fernbedienung, Türgriffe, Lenkrad usw.,verteile ich dann diese Viren / Keime überhaupt weiter? Oder sterben die an meiner Handfläche ab?

 

Entschuldigen Sie bitte meine ganzen Fragen. Ich bin durch die vielen Informationen im Internet echt verunsichert. Ich hoffe fest, dass ich mit Ihren kompetenten Antworten dieses Thema endlich abhaken kann.

Nochmals herzlichen Dank für Ihre wertvolle Zeit!

Liebe Grüsse

Nicole

Experte-Leidel
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08.04.2019, 14:57 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Nicole,

  1. Nein, das kann man nicht sagen. Es gibt da keine Altersgrenze. Das Risiko ist aber vorbei, wenn eine "Primärmanifestation" (z. B. schmerzhafte Bläschen im Mund) ohne Probleme abgeklungen ist.
  2. Viren gelten nicht als Lebewesen. Es handelt sich bei ihnen um in eine Eiweißkapsel eingepackte Erbinformation, wozu bei manchen noch eine fetthaltige Hülle kommt. Sie können sich nicht bewegen und haben keinen eigenen Stoffwechsel. Erst in einer lebenden Zelle entwickeln sie so etwas wie ein "Eigenleben". Die Erbinformation "kapert" die Erbinformation der Zelle und zwingt diese dazu, viele neue Viren zu produzieren. Die allermeisten Viren verlieren ihre potentielle Infektiosität außerhalb des Körpers, abhängig von Temperatur, Luftfeuchte, Sonneneinstrahlung usw. innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen. Aber das ist eine Infektiosität, die man nur mit geeigneten Methoden im Labor nachweisen kann. Das geht nur, wenn man die Viren in geeigneten Flüssigkeiten wieder in Lösung bringt umd einer zellkultur oder einem lebewesen einimpft. Herpesviren auf der Fensterbank sind von selbst und ohne Hilfe nicht infektiös.
  3. Wahrscheinlich hat sie bereits einen gewissen Schutz. Die dritte Impfung soll vor allem für eine lange Schutzdauer sorgen.
  4. Bitte, übertreiben Sie die Hygiene nicht. Wir wissen, dass Kinder, die z. B. auf dem Bauernhof mit häufigem Aufenthalt im Kuhstall sehr viel seltener an Allergieen oder ähnlichem erkranken, als solche, die unter übertriebener hygiene praktisch keimfrei aufgewachsen sind. Ich glaube, Das soll aber natürlich nicht zu Unsauberkeit und Unhygiene verleite, Ich glaube, Mütter wissen ganz gut, was sinnvoll und was völlig übertrieben ist.
  5. Gerade Menschen, die zu einer gewissen Ängstlichkeit, besonders um Ihre Kinder und Familie, neigen, machen sich viel zu viel Sorgen, suchen viel zu viel bei "Dr. Google" herum und richten damit nichts Gutes an. 

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan leidel 

 

 

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16.05.2019, 13:01 Uhr
Kommentar

Lieber Herr Leidel

Vor einiger Zeit haben Sie mir schon mal meine Fragen beantwortet, dafür danke ich Ihnen nochmals.

Leider ist nun eine weitere Frage aufgetaucht. Und zwar habe ich für meine Tochter online Kleidung bestellt. Beim Auspacken habe ich dann auf einem Kleidungsstück einen braunen Fleck entdeckt, bei dem es sich um Blut handeln könnte. Normalerweise würde ich deshalb die ganze Bestellung einfach wieder zurückschicken, was jetzt aber nicht mehr möglich ist, da die Rückgabefrist abelaufen ist. 

Kann ich davon ausgehen, dass von diesem Blutflecken keine Gefahr für meine Tochter ausgeht (Hepatitis)? Wie heiss muss ich das Kleidungsstück waschen um alle Viren zu entfernen? Ich bin hin und her gerissen zwischen „waschen?“ oder einfach „wegwerfen?“. Wobei ich eigentlich gegen meine Angst kämpfen, und deshalb die Kleidung behalten möchte...

 

Liebe Grüsse

Nicole

Experte-Leidel
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16.05.2019, 16:10 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten tag Nicole,

ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass es sich bei diesem Fleck tatsächlich um getrocknetes Blut handelt. Aber selbst wenn, von diesem geht sicher kein Infektionsrisiko mehr aus. Geronnenes und getrocknetes Blut ist nicht infektiös. Es wäre im Hinblick auf Infektiosität auch gleichgültig, wie heiß Sie das Stück waschen. Schon das Waschmittel würde die Hepatitis-Viren zerstören.

Also: Es besteht keine Gefahr.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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