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Chronische Hepatitis B nach Impfung???

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

07.01.2018 | 11:11 Uhr

Hallo Expertenrat-Team‚

ich bin Azubi in der Pflege (über 20 ) seit 10.2016 angefangen und jetzt im 2. Jahr. Also nach der Einstellungsuntersuchung bei der Betriebsärztin konnte man dem Befund entnehmen‚ dass der Antikörper-Titer <3‚5 IU/L beträgt. HA-AK >60. Sie teilte mir mit eine Hepatitis-Impfung sei notwendig, denn ich habe keine ausreichende Immunität. Trotzdem geeignet für die Ausbildung. 1. Impfung 02.11.2016. 2. Impf 30.11.2016. 3. Impf 10.05.2017. Anschließend wurde 7.6.2017 Blut abgenommen und dabei kam raus‚ dass ich eine chronische Infektiöse Hepatitis B entwickelt habe mit durchgemachten Hepatitis A.
mit folgenden Werten:
HBs-Ag positiv
HBs-Ak <3‚5 IU/l 
HBc-Ak positiv
HBe-Ag negativ 
HBe-Ak positiv 
Hepatitis DNA quant PCR= 1480 IE/ml. Leberwerte sind normal sowie die übrigen auch.

Meine Fragen lauten dann:

1.Können Sie mir bitte die Werte interpretieren?

2. Wenn ich eine chronische Hepatitis B entwickelt habe‚ warum wurde nicht sofort bei der Erstuntersuchung am 10.10.2016 festgestellt?

3.Warum hat die Betriebsärztin nicht erstmal HBc-Ak bestimmt, um festzustellen‚ ob eine frühere Infektion vorlag und hat direkt den Titer bestimmt?

4. Kann man der Titerbestimmung entnehmen‚ dass eine Infektion früher stattgefunden hatte?

5. Kann man davon ausgehen‚ dass ich die Infektion während der Ausbildung erworben habe?

Ich danke Ihnen für Ihre Antwort.

Ps: meine Eltern leben ( beide ü 60)‚ 2 Geschwister ( (ü 35)

Mit freundlichen Grüßen

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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08.01.2018, 11:41 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Herr (?) Mass,

1.

es kann als sicher angesehen werden, dass bei Ihnen eine chronische Hepatitis B-Infektion besteht. Das ergibt sich aus der Befundkonstellation:

HBsAg ist ein Antigen aus der Oberfläche des Hepatitis B-Virus und beweist das Vorhandensein dieser Viren in Ihrem Körper. Dass keine Antikörper (anti-HBs-Ak) vorhanden sind ist in solchen Situationen typisch. Die Antikörper gegen das Core-Antigen des Virus (antiHBc-Ak) werden im Verlauf der Infektion gebildet. Ihr Nachweis stützt die Diagnose chronische Hepatitis B zusätzlich. Man könnte noch zwischen antHBc-IgM (ist besonders am Beginn der Infektion positiv) und antiHBc-IgG (bleibt lange nachweisbar) differenzieren. das ist aber bei Ihnen nicht nötig, da alles für eine schon länger bestehende Infektion spricht.

Das HBe-Ag wird von den Leberzellen bei der Vermehrung der Viren gebildet. Ist es positiv, spricht dies eher für eine größere Infektiosität, ist es negativ, aber das dagegen gerichte antiHBe positiv (wie bei Ihnen) spricht dies für eine eher niedrige Infektiosität. 

Dies wird noch bestärkt durch das Ergebnis der quantitativen Hepatitis B-DNA-Untersuchung. Werte unter 10.000 IE/ml bezeichnet man als niedrig virämisch. Diese sind allenfalls gering infektiös.

Zusammen mit den normalen Leberwerten ergibt sich demnach, dass Sie zwar eine chronische Hepatitis B-Infektion haben, dass sie dabei aber nahezu gesund und kaum infektiös sind.

2. und 3.

Dass eine solche bereits bestehende Infektion mit Hepatitis B nicht bei der Erstuntersuchung festgestellt wurde, entsprricht den derzeitigen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Deutschland ist ein sog. "Niedrigprävalenzland", d. h. chronische Infektionen sind hier selten. Eine Impfung trotz bereits bestehender Infektion ist nicht schädlich. Eine vorherige Testung auf HBaAg oder anti-HBc kann sinnvoll sein bei einem erhöhten anamnestischen Risiko (z. B. Zusammenleben mit einer infizierten Person, Herkunft aus einem Hochprävalenzland). Ansonsten wird die (wie gesagt seltene) vorbestehende infektion bei der Kontrolle nach der Impfung festgestellt, wie in Ihrem Fall.

4. und 5.

Die Befundkonstellation spricht sehr für eine bereits länger bestehende Infektion. Es ist unwahrscheinlich, dass die Infektion während ihrer Ausbildungszeit erfolgte.

Aus meiner Sicht sprechen die bei Ihnen vorliegenden Befunde (die von Zeit zu Zeit kontrolliert werden sollten) nicht gegen eine Tätigkeit in der Pflege. Sie sind eigentlich (fast) gesund und im normalen Berufsalltrag nicht ansteckend. Natürlich dürften Sie aber kein Blut spenden, denn da werden ja mit dem Blut dann doch verhältnismäßig große Virusmengen übertragen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

 

 

 

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08.01.2018, 13:05 Uhr
Kommentar

Guten Tag Herr Dr. Leidl‚

ich danke Ihnen für Ihre klare und deutliche Rückmeldung. Aber ich habe noch ein Anliegen. Ich habe 6 Monaten nach dem ersten Befund noch weitere Untersuchungen in einer Praxis gemacht mit folgenden Werten:

HA- IgG positiv
HA-IgM negativ
HBs Antigen quant 6423‚00
HBs-AK negativ
HBe-AG negativ
Hbe-AK positiv
HBc-AK IgG positiv
HBc-AK IgM negativ
HBV PCR 2210 IU/ml
Anti-Hep Delta negativ
Leberwerte und die anderen Werte sind normal. 

1. Unterscheidet sich die zweite Befundskonstellation von der ersten?

2. Kann man in meinem Fall therapieren?

3. Ist eine chronische Hepatis B unheilbar?

Danke im Voraus für Ihre Rückmeldung

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Mass

 

Experte-Leidel
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08.01.2018, 15:11 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Herr Mass,

gerne nehme ich auch zu Ihren weiteren Fragen Stellung:

1.

Die zweite Befundkonstellation unterscheidet sich im Ergebnis kaum von der ersten. Es ist aber gut, dass Sie sich nochmals melden, denn die bereits bei der ersten Konstellation festgestellte Immunität gegen Hepatitis A (Ak gegen Hepatitis A positiv) ist für Sie günstig. Sie können von einem lang (wahrscheinlich praktisch lebenslang) anhaltenden Schutz vor Hepatitis A ausgehen. Das ist gut, weil man einer Leber, die sich bereits mit Hepatitis B herumschlagen muss, nicht noch eine Hepatitis A zumuten möchte. Aber da sind Sie geschützt.

Man würde Sie eigentlich nicht als an einer chronischen Hepatitis erkrankt bezeichnen, sondern als einen "gesunden" HBsAg-Träger. Dieser zeichnet sich durch normale Leberwerte, negatives HBeAg und einen niedrigen Wert bei der HBV-DNA (PCR) aus, die ein Maß für die Virämie (Zahl der Kopien der Virus-DNA im Blut) ist. Oft wird die Grenze zwischen niedrig- und hochvirämisch bei 2.000 IU/ml angesetzt. Andere setzen die Grenze eher bei 10.000 IU/ml. Beim ersten Befund lagen Sie unter den 2.000, beim zweiten knapp darüber. Nun können die Ergebnisse von Labor zu Labor und von Untersuchung zu Untersuchung etwas variieren, weshalb ich jetzt der leichten Überschreitung dieser willkürlichen Grenze keine große Bedeutung beimessen würde.

2.

Nach der derzeit geltenden S3-Leitlinie würde man in Ihrem Fall normalerweise keine Therapie durchführen. Vielmehr lautet die Empfehlung, im ersten Jahr nach der Feststellung mindestens zweimal die Werte zu kontrollieren, danach mindestens jährlich.

Prinzipiell ist eine Behandlung möglich (mit Interferon und sog. Virustatika), aber in Ihrem Fall nicht wirklich sinnvoll.

3.

Das ergibt sich aus 2. schon etwas. Unheilbar ist die chronische Hepatitis B nicht. Allerdings kommt es nicht in jedem Fall zu einer kompletten Heilung. Je nach der Art der Behandlung kann diese auch mit u. U. unangenehmen Nebenwirkungen einhergehen. Die Entscheidung, ob eine Behandlung sinnvoll ist oder nicht, sollte von einem Spezialisten getroffen werden. Und bei der derzeitigen Befundkonstellation würden die allermeisten Spezialisten von einer Behandlung abraten.

Ihnen weiterhin alles Gute und eine gute Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

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12.01.2018, 18:07 Uhr
Kommentar

Hallo Herr Dr. Leidl‚

herzlichen Dank für Ihre aufschlussreichen Erläuterungen. Das hat mir auf jeden geholfen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

 

Mit freundlichen Grüßen

Mass

Experte-Leidel
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12.01.2018, 18:24 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Danke für das freundliche Feedback. 

Ihnen alles Gute

Dr. Jan Leidel

 

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