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Auch mal Fragen

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Infektions- und Reisemedizin | Expertenfrage

21.05.2018 | 11:20 Uhr

Guten Tag Dr. Leidel,

ich bin eigentlich stiller Mitleser, habe mich nun extra registriert und muss nun auch ein paar Fragen zur Tollwut los werden die mich interessieren. 

1) zum Thema indirekt: was heißt indirekt? Ist indirekt auch mit infiziertem Speichel in Berührung zu kommen und danach sofort etwas zu essen oder das Auge berühren? Ich meine damit, ist indirekt auch wenn nur 1-2 Minuten dazwischen vergangen sind? (Speiche anfassen,nach 1-2 Minuten essen/ Auge reiben)

2) ist jede Schleimhaut für tollwutviren empfänglich? Sprich die mundschleimhaut? Kann man sich hier drüber anstecken wenn man isst oder sich nicht die Hände gewaschen hat?

3) wie kann man eigentlich eine indirekte übertragung ausschließen? Gibt es Studien dazu oder ist es einfach noch nicht vorgekommen?

4) können unsere Kinder sich im Garten, spielplatz oder wo auch immer indirekt anstecken, da die ja wirklich alles in den Mund nehmen wenn man eine Sekunde nicht mal hinsieht. 

5) sie haben letztens einer besorgten Mutter das geschrieben:

Ein tollwutkranker Hund (in Ländern mit Tollwut häufigster Überträger auf den Menschen) hat in den letzten Tagen seines Lebens Unmengen Viren im Speichel und sehr viel Speichel im Maul, denn aufgrund seiner Schluckkrämpfe schluckt er den Speichel kaum runter. Er geifert und sabbert. Und wenn dieses Tier über eine Wunde leckt, ist das ganz etwas anderes als die Hundenase des frisch gebadeten Hundes nach flüchtigem Schnuppern an einem toten Tier.

Und,

dass die menge der Viren bei der indirekten Übertragung eine Rolle spielen. 

Das verstehe ich jetzt gar nicht. Eine Fledermaus zum Beispiel hat so ein kleines Gebiss und ich gehe davon aus dass diese Menge an Speichel so gering ist, dass man sie nicht mal bemerken würde, aber trotzdem führt dies zur Ansteckun beim Biss oder belecken einer Schleimhau. Und die Menge beim belecken ist doch bei so einem kleinen Tier minimal. Können Sie mir das erklären?

6) was wäre bei einer indirekten übertraging die mindestmenge an Viren? Müsste man zumindest etwas nasses am Finger sehen? Oder kann auch was passieren wenn die Menge so klein ist, dass es fast trocken und nicht sichtbar ist?

7) Sie sagen, dass eine Vire eine Infektion nicht auslösen kann. Ist das nur bei Tollwut gemeint. Weil zum Beispiel Herpes ist doch hochinfektiös und da reicht doch nur eine einzige vire oder Tropfen aus der Blase damit eine Infektion erfolgt. 

danke, schöne Pfingsten. Thomas 

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21.05.2018, 11:30 Uhr
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Ach noch eine Frage:

8) Sie sagen dass Fledermäuse scheue Tiere sind und keine Menschen oder Tiere angreifen. Warum wurden dann 2 Katzen in Frankreich, 1 Steinmarder in Deutschland und 2 Schafe in Dänemark von einer Fledermaus infiziert. So kann man das ja nicht verallgemeinten. Scheinbar ist es doch möglich. 

9) wir haben einen Freigänger Kater. Er ist natürlich geimpft. Er ist manchmal die ganze Nacht unterwegs. Wenn er unmittelbar bevor er nach Hause kommt mit einer Fledermaus in Kontakt kommt (Speichel) und in seinem Fell, Maul oder Näschen Speichel klebt, unsere Kleinkinder und wir ihn dann direkt danach streicheln und mit einer Schleimhaut unmittelbar  in Kontakt kommen, kann man sich dann so mit Tollwut anstecken?

 

Verzeihen Sie, hatte vergessen die Fragen noch anzuhänge :)

Thomas

Experte-Leidel
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21.05.2018, 21:55 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Abend Thomas,

Sie überschätzen mich, wenn sie annehmen, dass ich all das, was Sie bewegt, haarklein wüsste und Ihnen beantworten könnte.

Ich versuche immer wieder, deutlich zu machen, dass das Tollwutrisiko in Deutschland sehr, sehr gering ist und dass Übertragungen schon relevante Kontakte mit wahrscheinlicher Übertragung ausreichender Virusmengen voraussetzen. 2007 starb der letzte Mensch in Deutschland an Tollwut. Und der hatte sich durch einen Hundebiss in Marokko infiziert. Und an Fledermaustollwut ist zumindest seit 50 Jahren kein Mensch in Deutschland zu Schaden gekommen. Würden Ihre Überlegungen zutreffen, sähe das ganz anders aus.

Nun zu Ihren Fragen, ich versuche es zumindest:

1.) Was heißt indirekt? Ein direkter Kontakt ist der Biss eines tollwütigen Tieres (99%) oder das unmittelbare Belecken von Wunden oder Schleimhäuten durch das tollwutkranke Tier selbst mit seinem große Mengen an Viren enthaltenen Speichel. Je mehr Zwischenschritte (Hundenase an totem Tier, das in Deutschland sowieso keine Tollwut hatte, dann Berühren eines Fingers mit der Hundenase, dann Reiben ins Auge)  erfolgen, um so indirekter ist der Kontakt. Ganz indirekt wird es, wenn man einen Hund oder eine Fledermaus nur gesehen oder von ihnen gehört hat.

2.) Schleimhäute sind ungefähr gleich anfällig für eine Infektion. Aber bei manchen Schleimhäuten ist der Kontakt schwierig (Darmschleimhaut, Geschlechtsorgane usw.) Also kommen eigentlich nur Auge und Mund in Frage. Und bei einem direkten Kontakt einer dieser Schleimhäute mit der Zunge eines auffälligen Hundes in z. B. in Indienwürde ich eine postexpositionelle Behandlung durchführen lassen.

3.) Im Allgemeinen kann man von dem betroffenen Menschen erfahren, was die Infektion verursacht hat.Und da spielen nur die von der WHO und dem deutschen RKI bezeichneten relevanten Kontakte eine Rolle. Natürlich gibt es auch Fälle, wo das nicht bekannt ist. Aber es wäre merkwürdig, wenn es bei denen ganz anders wäre. Nein, Studien gibt es nicht. Es finden sich dafür einfach zu wenig freiwillige Testpersonen.

4.) Ich halte das für ausgeschlossen.

5.) Der Speichel auch einer infektiösen Fledermaus enthält sehr viel Virus. Beim Risiko "Belecken" wird weniger an die Fledermaus gedacht als vielmehr an den Hund und ähnliche Tiere.

6.) Es wird aller Voraussicht und Wahrscheinlichkeit nach nicht reichen.

7.) Der Körper verfügt über hervorragende Abwehrmechanismen. Und es bedarf einer Vielzahl von "Angreifern", damit diese überwunden werden. Die "minimale infektiöse Dosis" ist je nach Erreger verschieden hoch, aber diese minimale Dosis muss erreicht sein. ich hatte das Beispiel mit der Befruchtung einer Eizelle durch ein Spermium angeführt. Letztlich muss ein Spermium durchkommen und die Eizelle befruchten. Aber ein Mann mit weniger als 500.000 Spermien im Ejakulat gilt als praktisch unfruchtbar.

8.) Ja, Fledermäuse sind Insektenfresser und scheue Tire und greifen in aller Regel Menschen oder andere Säugetiere nicht an. Wie das mit den Schafen geschehen ist, weiß ich nicht. Wenn Fledermäuse von Katzen oder Mardern angegriffen werden, wehren sie sich. Auch wenn ein Mensch eine (z. B. wegen ihrer Tollwuterkrankung) hilflos am Boden flatternde Fledermaus mit bloßen Händen ergreift, um ihr zu helfen, wird sie ihn wahrscheinlich beißen.

9.) das müssten Sie sich jetzt eigentlich selbst beantworten können. Wahrscheinlich ist Ihr Kater nicht der einzige Freigänger in unserem schönen tollwutfreien Land. Eine Infektion auf diesem Weg ist noch nie beobachtet worden.

Ich wäre ihnen dankbar, wenn wir den Austausch damit beenden könnten. Sie machen mir eine Menge Arbeit für - entschuldigen Sie - Unsinn.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

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22.05.2018, 08:34 Uhr
Antwort

Guten Morgen Dr. Leidel, 

ich danke für Ihre ausführliche Antworten und vor allem für die Zeit die Sie sich für uns Fragenden nehmen. 

Abschliessend habe ich nur noch 5 Fragen.

1) also kann man indirekte Übertragungen so gut wie ausschließen? Solange meine Kinder von keinem Tier gebissen oder geleckt werden, kann nichts geschehen, passt?

2) selbst wenn einer unserer Kinder mit einer toten fledermaus in Berührung kämen und an ihr Speichel haften würde, kann nichts passieren, passt? Oder wenn eine Fledermaus von oben auf unser Essen speichelt? (Bei uns fliegen sehr oft welche vorbei)

3) hat ein Säugling auch die selben abwehrmechanismen und benötigt es da auch eine mindest Menge von Viren um zu einer Infektion zu führen? Da das immunsystem von denen noch nicht so ausgereift ist. Oder reicht bei so kleinen Kindern/Säuglingen eine geringere menge an Viren als bei erwachsenen?

4) sie sagen ja der Speichel einer Fledermaus enthält sehr viel Viren obwohl es von der Menge sehr gering ist. Wieso kann dann Speichel welcher irgendwo haftet (indirekt) diese Menge nicht beinhalten?

5) die Sache mit dem Freigänger kam mir in den Kopf, da Sie einer Person schriebe (ihre Katze kam mit einer Fledermaus in Kontakt) da Sie das Risiko (Nase,Fell, Maul) für gering halten jedoch ein restrisiko bleibt. Diese unterschiedlichen aussagen haben mich verwundert.

ich entschuldige mich für die in Ihren Augen unsinnigen Fragen, hoffe jedoch dass Sie mir diese Fragen noch ein letztes Mal beantworten und verabschiede mich in diesem Sinne. 

einen Gruß aus Oberhessen, Thomas 

Experte-Leidel
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22.05.2018, 12:21 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Thomas,

1.) Siehe in meiner vorigen Antwort unter 1.). Da steht alles drin. Ausschließen ist ein großes Wort, das ich lieber vermeide. Was können wir schon mit allerletzter Sicherheit ausschließen. Niemand kann z. B. ausschließen, dass bald ein abstürzendes Flugzeug auf mein Haus stürzt und mich tötet.

2.) Ja!

3.) Ja, es geht hier um die sogenannte angeborene Abwehr und nicht um die erworbene Immunität.

4.) Das konnte er anfänglich. Aber diese Viren werden je nach Temperatur, Trockenheit, UV.Strahlung usw. relativ rasch weniger. Und es wird nie gelingen, alles, was da an Speichel irgendwo dran ist, vollständig aufzunehmen.

5.) Das ist der springende Punkt. Ich kann ihnen nur meine Einschätzung mitteilen. Aber ich bin weder der Liebe Gott noch sind meine Worte Gesetze. Der Fragestellerin habe ich nach meiner Erinnerung geschrieben, dass ich ein Risiko für äußerst gering halte, dass sie aber natürlich bei bestehenden Zweifeln Maßnahmen ergreifen könne. Das gilt natürlich auch für Sie und Ihre Familie. Und bei "Restrisiko" sind wir wieder bei ausschließen können und Flugzeugabsturz.

Alles Gute

Dr. Jan Leidel

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