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Plötzliche Zwangsgedanken?

Kategorie: Leben-Familie » Expertenrat Depression - Burnout - Stress | Expertenfrage

02.04.2024 | 19:05 Uhr

Lieber Expertenrat,

ich möchte mich an Sie mit einer Bitte um Rat wenden. Ich bin Mitte Dreißig und habe regelmäßig "aufdringliche und unangenehme Gedanken", die ich manchmal nicht zu stoppen vermag. Erstmalig aufgetreten sind diese in jungen Jahren als ich, nachdem ich "The Truman-Show" gesehen hatte, verzweifelt war, weil ich nicht sicherstellen konnte, kein Bestandteil eines solchen Filmes zu sein. Als Teenie hatte ich (tatsächlich fast panische) Angst, weil mir Gedanken kamen, dass ich in einer Welt wie in Matrix leben könnte bzw. dass die Realität anders ist, als wie von mir festgestellt. In den darauffolgenden Jahren kamen dann weitere Gedankengespinste/Ängste hinzu:
=> dass ich andere (oder auch mich) verletzen/umbringen könnte,
=> dass es Gott nicht gibt (Hintergrund-Info: Ich bin ein leidenschaftlicher Christ),
=> verrückt/schizophren zu werden/zu sein,
=> Farben nicht mehr  klar identifizieren zu können (ja, auch das :-) )
=> keine Luft mehr zu bekommen
=> ...


Die Gedanken gingen immer mit starken negativen Gefühlen (wahrscheinlich Angst) einher.
Früher habe ich mit rationalem Denken versucht die Gedanken zu entkräften bzw. zu relativieren (ohne dauerhaften Erfolg). In den Zwanzigern war ich bei einem Psychologen (3 Sitzungen), der mir  Zwangsgedanken diagnostizierte und einem Psychiater (1 Sitzung), der:
=> mir keine Medikamente verschreiben wollten (nur Beruhigungstabletten bei akut-starken Auftreten => die habe ich nur einmal genommen)
=> Die Diagnose "Zwangsgedanken" in Frage stellte (da ich eigentlich keine mentalen/physischen "Zwangshandlungen" ausübe)
=> Eine Depression ins Spiel brachte, bei der mir aber die Motivationslosigkeit fehlte (darüber hinaus schlafe ich schon mein Leben lang (Gott sei Dank) sehr gut).
=> Eine generalisierte Angststörung für möglich hielt

Konkrete Therapien gab es nie, da es bisher eigentlich nicht nötig war. Es gab immer wieder Phasen in dem die invasiven Gedanken und schlechten Gefühl gehäuft (teilweise sehr intensiv) auftraten, dann wieder Phasen in denen nahezu gar nichts war. Ich habe die Themen dann teilweise sogar über Jahre komplett vergessen und es ist eine "Egalisierung" eingetreten ("Wenn es so ist, na dann...").
Ich konnte mein Leben bisher sehr gut führen und würde mich als zielstrebig, etwas penibel aber als ein lebensfroher Mensch bezeichnen. Ich habe eine wunderbare Frau, mit zwei wunderbaren Kindern und eine erfüllende aber (zugegeben) sehr stressige Arbeit, die mich sehr auf Trab hält (kleines Management in einer größeren Firma). Trotzdem bin ich in dem was ich tue wohl ganz erfolgreich (dafür bin ich dankbar).

Leider habe ich seit nun 8-9 Jahren wieder eine eher schlechte Phase. Alles fing vor wenigen Wochen mit einem plötzlichen, sehr negativen Gefühl (ich denke Angst) an, die keine Gedanken mit sich gebracht haben. Das Gefühl hat mich aber sehr an früher erinnert. Vor wenigen Tagen kamen nun die obigen Gedanken in einer großen Intensität wieder.
Es gibt teils mehrere Stunden in denen mein Bewusstsein sehr an meinen Gedanken hängt und ich fühle mich wie in einer Blase/dumpf/schwammig und kann nicht so am Leben teilnehmen wie ich möchte. Mein Alltag ist möglich und ich glaube nach außen wirke ich wenig anders als sonst, wohl aber etwas ruhiger. Schön anfühlen tut sich das ganze aber nicht.
Seit gestern sind die Symptome deutlich abgeschwächt und die Gedanken nahezu wieder verschwunden.

Wenn ich mich selbst "analysiere" würde ich sagen, dass ich dieselben Gedanken je nach Gefühlslage verschieden erleben. Beispiel Matrixwelt:
1. Geht es mir gut, dann denke ich (sollte der Gedanken mal in mein Bewusstsein huschen):
=> „Selbst wenn es stimmen würde geht es mir sehr gut. Eigentlich ist es mir egal. Ich habe ein sehr gutes Leben und glaube an Gott. Mit dem Glauben bin ich glücklich und freue mich diese Hoffnung zu haben.“

2. Geht es mir schlecht, dann:
=> kommen mir die Gedanken gefährlich vor und denke ich verliere den Verstand, da ich das als sehr unnormal empfinde so zu denken.
=> Ich fühle mich allein und hilflos und habe Angst die Gedanken könnten wahr und ich auf der ganzen Welt allein sein.
=> Ich befürchte, dass es nie wieder gut wird und ich habe Angst, dass ich mein Leben bald nicht mehr führen und mich nicht mehr um meine Liebsten kümmern kann.

 

 

Meine Fragen sind:
=> Sind es wirklich Zwangsgedanken, die sich da wieder einschleichen oder war es vielleicht doch etwas ganz anderes von Anfang an? Früher dachte ich, dass die Gefühle durch die Gedanken getriggert werden, mittlerweile denke ich es fast es ist anders herum.
=> Wie gehe ich am besten mit akuten Phasen um? Ist es tatsächlich in Ordnung (wie bei Zwangsgedanken üblich) die schlechten Gedanken zu akzeptieren bzw. nicht "willkommen zu heißen", sie aber eben auch nicht zu blockieren als eine Art Zwangshandlung (und ihnen damit einen „Wert“ zu geben)?
=> Wie merke ich, dass ich an meine Grenzen komme, also der Leidensdruck so hoch wird, dass ich wirklich einen Arzt aufsuchen sollte? Im generellen würde ich sagen mich mit diesen Problemen arrangiert zu haben und es gab noch nie in meinem Leben (Gott sei Dank) einen Punkt an dem ich die Schule, das Studium, die Arbeit, etc. nicht mehr händeln konnte.
=> Ist es normal, dass Zwangsgedanken so unterschiedlich erlebt werden (mal als unproblematisch, dann ein anderes Mal als bedrohlich)? Es ist wie ein auf- und ab.

Ich weiß Sie können auf die Ferne keine Diagnose stellen, ich wäre allerdings für ein Feedback sehr dankbar.

Mit herzlichen Grüßen.

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Bisherige Antworten
Lifeline Gesundheitsteam
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07.04.2024, 18:03 Uhr
Antwort von Lifeline Gesundheitsteam

Hallo,

Das klingt tatsächlich so, als ob Sie sich schon sehr gut mit sich selbst auseinandergesetzt und reflektiert haben. Das ist ein sehr wichtiger Schritt zum richtigen Umgang damit. Es scheint allerdings so, als seien Sie damit schon relativ bewandert.
Ob es sich dabei um Zwangsgedanken handelt, ist tatsächlich schwer zu interpretieren. Zwangsgedanken gehen mit einem Art "Notwendig keitsgefühl" einher. Aus Ihrer Beschreibung lässt sich eventuell ablesen, dass das zumindest einige Male der Fall ist, richtig können wir das aber nicht beurteilen.
Der Umgang mit den akuten Phasen ist tatsächlich schwierig. Die Akzeptanz ist sicherlich ein wichtiger Aspekt und scheint insgesamt auch geholfen zu haben. Andere Strategien zur Bewältigung könnten dabei ebenfalls helfen, wie z.B. Atemtechniken oder verschiedene Entspannungstechniken. Auch das Verbalisieren, was Sie offensichtlich ja schon machen, kann hilfreich sein.
Dass der Leidensdruck so variiert, ist tatsächlich auf gewisse Art und Weise normal. Sie scheinen insgesamt damit gut umgehen zu können. Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie darunter stärker leiden als sonst, wäre es vielleicht angebracht professionelle Hilfe aufzusuchen. Auch wenn die Lebensqualität dadurch weiter beeinträchtigt wird oder sie einfach das Gefühl haben, damit nicht mehr alleine zurechtzukommen, sollten sie unbedingt eine Fachkraft aufsuchen.
Es ist tatsächlich schwierig, das von Ihnen Beschriebene richtig zu klassifizieren. Es wäre an sich schon vorstellbar, dass es sich dabei um Zwangsgedanken handelt. Es ist allerdings fraglich, welche Konsequenz sich daraus ergibt, da Sie damit relativ gut zurecht zu kommen scheinen. Falls Sie doch Unterstützung suchen, könnten Sie aber einen Psychiater aufsuchen, um vielleicht doch eine medikamentöse Unterstützung zu versuchen.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen weiterhelfen - Ihr Lifeline Gesundheitsteam

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