Guten Tag,
ich nehme seit ca. 5 Monaten täglich abends eine Tablette Opipramol 50 mg gegen Angst- und Spannungszustände sowie gegen Depressionen. Zu Beginn der Behandlung im Januar diesen Jahres nahm ich zusätzlich noch 1 Tablette am Morgen. Mein Zustand und meine Stimmungen sind extrem schwankend. An manchen Tagen geht es mir so gut, dass ich meine, ich bräuchte eigentlich gar keine Medikamente mehr, an anderen Tagen würde ich am liebsten die 8fache Dosis einnehmen, so schlecht geht es mir dann. Ist es denn möglich, die Stimmung stabil zu halten, wenn ich jeden Morgen eine hochdosierte Tablette Johanniskraut einnehme? Und wie verträglich sind die beiden Medikamente (Johanniskraut und Opipramol) miteinander? Ich habe schon Vieles darüber im Internet gelesen, aber die Meinungen darüber sind sehr unterschiedlich. Ich möchte mit dem Opipramol am Morgen ungern wieder anfangen, da es mich einfach extrem müde macht und ich dann kaum zur Arbeit gehen kann. Was würden Sie mir raten? (Ich bin übrigens bereits in Therapie). Vielen Dank im voraus. Susanne
Opipramol 50 mg und Johanniskraut 900 mg?
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Antwort von Expertin-Buchgert
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ihr Opipramol ist ein älteres Antidepressivum, das zur Behandlung generalisierter Angst zugelassen ist. Nach etwa 4-6 Wochen Einnahme müsste die maximale Wirkung bestehen. So, wie Sie es beschreiben, ist Ihre Stimmungslage (und auch die Angst?) nicht anhaltend gebessert.
Bei unzureichendem Ansprechen auf eine Substanz ist es besser, das Problem mit Ihrem Arzt zu besprechen und evtl. die Substanz zu wechseln, als eine zweite dazuzunehmen.
Sowohl bei Angsterkrankungen, als auch bei depressiven Erkrankungen ist die neuere Substanzgruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI),z.B. Citalopram, Sertralin, gut untersucht und wirksam.
Johanniskrautpräparate haben sich bei mittelgradiger depressiver Symptomatik als ähnlich wirksam wie SSRI erwiesen.
Der Vorteil der SSRI gegenüber den älteren Antidepressiva liegt in ihrer besseren Verträglichkeit (z.B. keine Müdigkeit), der Wirkungseintritt erfolgt auch nach ca 4 Wochen.
Bei wechselnder Symptomatik ist es wichtig, dass Sie ein Stimmungstagebuch führen. (behandelnder Arzt und Psychotherapeut haben sicher so etwas in der Praxis) Hier tragen Sie regelmäßig, dreimal am Tag Ihre Stimmungslage, Anspannung und Ernergieniveau ein. So einen Überblick brauchen Sie unbedingt, um über längere Zeit den Verlauf der Symptomatik zu beurteilen.
Wunderbar, dass Sie schon ein psychotherapeutisches Angebot gefunden haben! Beides zusammen bringt Ihnen über längere Zeit den größten Effekt.
mit freundlichen Grüßen I. Buchgert
Antwort
Hallo Frau Buchgert,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich war, noch bevor ich Ihre Antwort gelesen hatte bei meinem HA und dieser hat mir tatsächlich das von Ihnen genannte Citalopram verschrieben. Nun habe ich mir den Beipackzettel durchgelesen und bin etwas geschockt. Ich finde die Liste der Nebenwirkungen ist viel länger, als die des Opipramols. Irgendwie habe ich richtig Angst, dieses Medikament einzunehmen, vorallem weil ich bereits auch des Öfteren gelesen habe, dass viele Patienten nachts nicht mehr schlafen können und zum Teil Todesangst entwickelten. Das Citalopram wirkt ja allgemein gegen Depressionen und ist stimmungsaufhellend. Macht es einen trotzdem etwas ruhiger und nimmt auch die mit einer Depression einhergehenden körperlichen Beschwerden, wie z.B. Schwindel, Übelkeit und Magenschmerzen? Ich habe etwas Angst, dass ich mit diesem Medikament auf Hochtouren laufe und meine körperlichen Symptome sich verschlechtern könnten, da ja die Dämpfung durch Opipramol fehlt. Ich weiss, dass ich das Alles gestern meinen HA fragen hätte können, aber irgendwie war ich so überrumpelt, dass mir in diesem Moment all diese Fragen nicht durch den Kopf gegangen sind. Noch eine letzte Frage: Könnte ich theoretisch Opipramol absetzten und ausschließlich Johanniskraut anstatt Citalopram zur Stimmungsaufhellung einnehmen? Angeblich steht Johanniskraut den AD´s doch in nichts nach? Vielen Dank und viele Grüße Susanne
Antwort von Expertin-Buchgert
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Citalopram gehört zu den Selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) und verursacht wirklich deutlich weniger Nebenwirkungen als Opipramol. Die älteren Antidepressiva, zu denen auch Opipramol gehört, wirken auf mehrere Transmittersysteme, nicht nur aufs Serotonin. Sie sind nicht selektiv.
Viele Menschen haben sie ungern genommen, weil sie Nebenwirkungen machen, z.B. Mundtrockenheit, Händezittern u.ä.. Solche Nebenwirkungen treten unter SSRI sehr selten auf.
Was in den ersten 1-2Wochen sein kann, sind Durchfälle (Sie haben auch im Darm Serotoninrezeptoren), innere Unruhe, schlechteres Durchschlafen.
Diese Nebenwirkungen betreffen nicht alle Anwender,
sie sind lästig, aber nicht gefährlich und:
sie gehen nach etwa zwei Wochen weg.
Ganz viele Menschen merken in den ersten Wochen der Einnahme garnichts und fragen sich, ob ihr Medikament überhaupt wirkt.
Nach vier bis sechs Wochen tritt die positive Wirkung ein: Sie sollten ruhiger, entspannter sein, Stimmung und Antrieb sollen sich bessern und Sie sollten besser schlafen.
Wenn Sie in den ersten Tagen der Anwendung Nebenwirkungen haben, z.B. sich zu unruhig fühlen, kann Ihnen Ihr HA in den ersten Wochen eine zweite Substanz dazu geben, z.B. Opipramol. Sprechen sie ihn einfach darauf an, Sie sind ganz sicher nicht die Einzige, die in den ersten Wochen Schwierigkeiten hat.
Johanniskraut hat sich in Studien bei depressiven Erkrankungen als ebenso wirksam wie SSRI erwiesen, ginge also auch. Wichtig ist eine ausreichende Dosis zu nehmen. Ganz nebenwirkungsfrei ist auch Johanniskraut nicht. Häufig gibt es eine erhöhte Lichtempfindlichkeit und es hat Einfluss auf die Blutgerinnung. Wenn Sie aus irgendeinem Grund eine gerinnunggshemmende Medikation nehmen (ASS, Clopidogrel, Marcumar) müssen Sie die Dosis anpassen.
mit freundlichen Grüßen I. Buchgert
Antwort
Sehr geehrte Frau Buchgert,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Sie haben mit damit sehr weitergeholfen und mir auch etwas Angst nehmen können. Ich hätte allerdings nochmals eine Frage an Sie. Ich habe, da ich auf Medikamente sehr stark reagiere, zunächst mit einer Minidosis von 5 mg Citalopram begonnen (eigentlich sollte ich lt. meinem HA 20 mg einnehmen). Ich dachte eigentlich, dass ich davon überhaupt nichts bemerken würde, aber nach ca. 4 h nach der Einnahme ging es bereits los: Zittern, Unruhe und extrem starkes Schwitzen. O.K., das sind wohl die von Ihnen beschriebenen Nebenwirkungen und da muss ich jetzt wohl durch. Doch irgendwann muss ich ja bei 20 mg ankommen. Nun weiss ich nicht so recht wie?!? Soll ich die Dosis erst erhöhen, wenn die Nebenwirkungen fast ganz weg sind. Ich nehme nun den 2. Tag die besagten 5 mg. Ab wann kann ich auf 10 mg erhöhen? Ich wollte meinen Körper einfach ganz langsam daran gewöhnen, in der Hoffnung, dass allzu heftige Nebenwirkungen ausbleiben, bzw. sehr gering ausfallen. Wie würden Sie vorgehen?
Und dann hätte ich noch eine weitere Frage: Wenn Johanniskraut viel weniger Nebenwirkungen hat als SSRI und lt. Studien genauso wirksam ist, weshalb verschreiben die Ärzte nicht gleich ein entsprechendes Johanniskraut-Präperat?
Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre Antwort.
Freundliche Grüße
Susanne
Antwort von Expertin-Buchgert
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Sie können das Citalopram ganz langsam steigern, z.B. jede Woche um 5 mg. Besprechen Sie das auch ruhig mit Ihrem Hausarzt. Viele Patienten beginnen mit einer langsamen Aufdosierung. Bis zum vollständigen Wirkungseintritt dauert es dann etwas länger.
Wenn eine Nebenwirkung für Sie sehr belastend wird, sollten Sie das Problem auch mit dem Hausarzt besprechen. Ganz sicher finden Sie gemeinsam eine Lösung. Eine gute Einstellung wird nur möglich sein, wenn Sie als Team zusammenarbeiten.
Bei Unruhe kann leichte Bewegung hilfreich sein. Wenn Sie täglich eine Stunde spazieren gehen könnten, wäre es gut.
Ich weiß nicht genau, warum SSRI häufiger verordnet werden. Einmal könnte es daran liegen, dass der Wirkungsnachweis und die Zulassung von Johanniskrautpräparaten noch nicht so lange her sind. Einen Wirkungsnachweis für SSRI gibt es wohl schon viel länger.
Und der Anwendungsbereich, die Indikation, für Johanniskraut ist kleiner. Soweit ich weiß, besteht eine Zulassung nur für leichte und mittelgradige depressive Episoden. Für schwere depressive Episoden und Angsterkrankungen ist Johanniskraut nicht zugelassen, aber SSRI sind auch hier wirksam.
mit freundlichen Grüßen I. Buchgert
Antwort
Sehr geehrte Frau Buchgert,
ich nehme nun seit ca. 4 Wochen täglich morgens 20 mg Citalopram.
An meinem Zustand hat sich bislang leider nichts geändert. Vor der Medikamenteneinnahme hatte ich Phasen, in denen es mir richtig gut ging und ich leben konnte wie ein gesunder normaler Mensch. Von Heute auf Morgen hat sich das dann geändert und auf einmal war ich wieder absolut depressiv. Dies hielt dann wieder einige Tage an und dann ging´s langsam wieder aufwärts. Jetzt, mit dem Citalopram ist es genau das Gleiche. Vor einigen Tage war ich noch fit, aktiv und belastbar; hatte jede Menge Spaß. Nun, wieder von Heute auf Morgen ganz abrupt ist das alles wieder vorbei und ich bin wieder voll in einer depressiven Phase - nur diesmal mit Citalopram.
Was ich absolut nicht verstehe ist der schnelle Wechsel von Alles super toll und klasse zu absolut kaum lebensfähig. Verlaufen depressive Episoden tatsächlich so extrem? Mein Therapeut fragte mich, ob ich einen Auslöser für mein jetziges Tief sehe. Ich sehe absolut keinen Grund und habe wirklich keine Ahnung, warum es mir wieder so schlecht geht, denn es ist rein gar nichts passiert. Ich bin zur Zeit auch immer noch krankgeschrieben, habe also absolut null Stress. Was ich auch nicht verstehe ist, dass das Medikament ja scheinbar nicht wirklich hilft. Ich weiss ja nicht, was man von einem Antidepressiva erwarten kann, aber ich dachte, dass man evtl. nicht mehr so oft in ein Tief fällt, oder wenn, dann nicht so heftig oder nicht wieder so schnell. Es wäre sehr nett, wenn Sie mir ausführlich antworten und helfen würden.
Vielen Dank im voraus.
Susanne
Antwort von Expertin-Buchgert
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Normalerweise verlaufen depressive Episoden nicht so extrem, der schnelle und häufige Wechsel ist ungewöhnlich.
Kennen Sie Stimmungswechsel in dieser Intensität auch aus der Zeit vor der Medikation? Ist in den guten Phasen Ihre Stimmung überdurchschnittlich gut? Ändert sich Ihr Schlafbedürfnis? Möglicherweise haben Sie Stimmungsschwankungen in beide Richtungen. Dann wäre es wichtig, nochmal mit dem verordnenden Arzt/Ärztin die Diagnose zu überprüfen. Wenn Sie sowohl überdurchschnittlich gute und depressive Phasen haben, könnte eine stimmungsstabilisierende Medikation helfen.
Um einen Verlauf beurteilen zu können, sollten Sie unbedingt ein Stimmungstagebuch führen, d.h. Stimmung, Aktivität, Unruhe, Schlaf täglich auf einer Skala von 1-10 einschätzen und notieren.
Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wären noch schwankende Medikamentenspiegel im Blut. Erbrechen? Durchfall? Haben Sie eine weitere Medikation, die Sie nicht regelmäßig nehmen? Passt die Einnahme zeitlich zu den Stimmungsschwankungen?
mit freundlichen Grüßen I. Buchgert
Antwort
Sehr geehrte Frau Buchgert,
so extreme Stimmungssschwankungen hatte ich auch vor der Einnahme des Citaloprams. In meinen guten Phasen bin ich nicht extrem überglücklich oder irgendwie auch nicht normal; ich fühle mich lediglich fit, aktiv, fröhlich, belastbar - wie andere gesunde Menschen eben auch. Ich dachte eigentlich, dass das Citalopram mich vor derartigen Tiefs, wie ich es im Moment leider wieder erleben muss, bewahren kann. Warum funktioniert das nicht? Ich dürfte doch nicht derart weit abstürzen, oder? Andere Medikamente außer dem Citalopram nehme ich nicht ein. Ich habe auch keine Durchfälle oder Erbrechen. Ich führe eine Art Stimmmungstagebuch in welches ich auch miene körperlichen Beschwerden eintrage. An den Tagen, an denen es mir sehr schlecht geht, habe ich ein erhöhtes Schlafbedürfnis. Mir ist übel, ich bin nervös, weniger belastbar, weine viel und alles ist nur noch aussichtlos. Diese Phase beginnt plötzlich, deren Intensität nimmt einige Tage zu, dann wird es für einen Tag ganz extrem, danach wird es langsam wieder besser, bis wieder eine gute Phase einsetzt. Alles verläuft immer nach dem absolut gleichen Schema. Warum die schlechte Phase überhaupt einsetzt, kann ich mir absolut nicht erklären. Ich kann dafür keinen Auslöser erkennen. Was müsste das Citalopram denn bewirken? Dass ich nicht mehr so tief abstürze? Dass die schlechten Phasen weniger werden? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir weiterhelfen könnten. MfG Susanne
Antwort von Expertin-Buchgert
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Der Verlauf und die Dauer Ihrer depressiven Phasen ist eher ungewöhnlich. Gut, dass Sie ein Stimmungstagebuch führen. Wie häufig treten diese Phasen auf? Wie viele Tage dauert eine Phase genau?Gibt es einen zeitlichen Zusammenhang mit hormonellen Schwankungen während Ihres Menstruationszyklus?Oder mit irgendetwas anderem?
Eine depressive Episode ist definiert als depressive Verstimmung+Interessen- oder Freudeverlust + Antriebsstörung/Erschöpfbarkeit über mindestens zwei Wochen, nahezu unverändert anhaltend und dauert unbehandelt im Durchschnitt 6 Monate. Mit der Einnahme eines Antidepressivums verringern sich Dauer und Schwere einer depressiven Episode. Bei wiederkehrenden Episoden wird es auch zur Rückfallprophylaxe eingesetzt.
Wichtig erscheint mir, zunächst die Diagnose noch einmal genau zu klären.
mit freundlichen Grüssen I. Buchgert