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Utrogest

Kategorie: Frauenheilkunde » Expertenrat Wechseljahre | Expertenfrage

12.11.2010 | 01:06 Uhr

Hallo Herr Dossler,

ich bin 49 und voll in den WJ mit sämtlichen Beschwerden, am schlimmsten Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen , Schwindel hoher Blutdruck (140/90), Kopf-, Nacken- und Muskelschmerzen und ganz schlimm Gewichtszunahme und Heißhunger auf Süßes (ich war im Leben noch nie ein Süßigkeitenkind).
Ich habe hier viel über eine HET mit naturidentischen Hormonen gelesen, könnten Sie mir ein paar Fragen hierzu beantworten?

Kann Utrogest auch ohne zusätzliches Östradiol eingenommen werden? Sie schreiben, dass Progesteron auch Östradiol bilden kann? Wann nimmt man Utrogest durchgehend ohne Pause? Wie ist die Einnahme sinnvoller oral oder vaginal? Nimmt man davon noch mehr an Gewicht zu?
Meine Mutter hatte Brustkrebs und schiebt es auf ihre damalige HET, allerdings mit synthetischen Hormonen. Muss ich mir Sorgen machen auch an Brustkrebs zu erkranken wenn ich mich für eine HET mit Utrogest und Östradiol entscheiden würde?

Vielen vielen Dank schonmal für eine Antwort.

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12.11.2010, 01:41 Uhr
Antwort

Hallo,
eine der häufigsten Störungen der WJ ist die Gewichtszunahme (zwar nicht generell, aber doch bei einer Vielzahl von Frauen), wobei sich typischerweise im Nacken- und Bauchbereich Fettgewebspolster bilden.
Dies hängt mit der Umstellung Ihres Hormonbildes vom weiblichen zum männlichen Hormontyp zusammen.
Die Vorstufen der weiblichen Homrone sind die männlichen Hormone. Aus dem Testosteron bilden Ihre Eierstöcke durch enzymatischen Umbau das Östradiol.
Und mit dieser Hormonumstellung kommt es bei vielen Frauen zum Auftreten eines Typ-II-Diabetes.
Als erstes fällt in den WJ der Eisprung aus und als dessen Folge findet keine Progesteronbildung mehr statt.
Das Ende des Eisprungs kann man am leichtesten anhand der Basaltemperaturkurve erkennen (Infos zu diesen Themen finden Sie auf meiner Webseite www.tomdoc.de).
Aufgrund des fehlenden oder nur noch ungenügend gebildeten Progesterons entsteht ein Zustand, den man Östrogendominanz nennt.
Ich bin immer wieder erstaunt, dass noch so viele Gynäkologen dieses Phänomen nicht berücksichtigen und sofort bei den ersten klimakterischen Beschwerden zum Östrogen-Ersatz greifen, der unter Umständen die Beschwerden noch verstärkt, da sich unter zunehmender Östrogendominanz auch noch vermehrt Gewebeflüssigkeit ansammelt.
Durchschlafstörungen sind ein sehr sicherer Hinweis auf einen Progesteronmangel.
UTROGEST ist identisch mit dem natürlichen Progesteron.
Sollte keine Periode mehr sein (MENOPAUSE), dann sollte Ihr FA mal die Gebärmutterschleimhautdicke messen (Ultraschall).
Eine Monotherapie mit Gelbkörperhormonen ist nichts Unübliches (siehe Minipille, 3-M-Spritze), kann also auch mit UTROGEST oder der PG-Creme gemacht werden.
Wichtig ist aber zu wissenb, dass auch aus dem PG im Körper enzymatisch Östrogen entstehen kann, sodass es anfangs unter einer PG-Behandlung in manchen Fällen zur vorübergehenden Zunahme der Beschwerden kommen kann.
UTROGEST wird oral zu etwa 60% vom Körper aufgenommen, der Rest wird beim Transport über die Leber um- und abgebaut (das nennt man first-pass-effect).
Wegen des hormonellen Umbaus wirkt UTROGEST oral besonders gut gegen die Durchschlafstörungen. Dieser Effekt ist bei vaginaler Anwendung (hier wird das Progesteron zu fast 100% resorbiert) geringer ausgeprägt, dafür ist aber auch die Disierung bei vaginaler Anwendung geringer (übrigens geht es genauso, wenn Sie Utrogest rektal anwenden).
Nur wenn Ihre Mutter einen Hormon-Rezeptor-Positiven Brustkrebs hatte, wäre ein theoretischer Zusammenhang mit der HT von damals denkbar.
Grundsätzlich muss gesagt werden, dass auch die HT mit synthetischen Hormonen (also Hormonen, die es so in der Natur nicht gibt) keine Einbahnstraße zur Entwicklung von Brustkrebs ist.
Durch die Erhöhung der männlichen Hormone in den normalen WJ im Blut kann z.B. allein das Brustgewebe aufgrund seines hohen Gehaltes an dem Enzym AROMATASE aus Testosteron Östradiol bilden - das ist eine Erklärung, warum überhaupt das Brustkrebsrisiko mit zunehmendem Alter ansteigt.
So, jetzt habe ich Sie zugestopft mit Wissen über Hormone. Schauen Sie mal auf meine Webseite, da finden Sie noch eine ganze Menge anderer Infos.
Dann sprechen Sie mal mit Ihrem FA über Ihre Probleme und wenn weitere Fragen sind - Sie wissen, wo Sie mich im Internet finden!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
TomDoc

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12.11.2010, 04:22 Uhr
Antwort

Lieber Tomdoc,

ich finde es einfach toll, wie ausführlich sie auf die Fragen antworten.

Es ist wirklich erstaunlich, dass viele FÄ in Deutschland bereits zu Beginn der WJ mit Östrogenen therapieren. Ich selbst habe diese Erfahrung auch bei der Deutschen Gesellschaft für Menopause an der Uniklinik Münster gemacht . Dort bekam ich Presomen verordnet.
Dabei fehlte mir nur ein bisschen Progesteron.
Zum großen Glück gehts mir auch ohne Östrogensubstitution wieder gut.
Ihnen auch herzlichen Dank!

P.S. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich eingemischt habe...

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13.11.2010, 09:51 Uhr
Antwort

Hallo,
ausgerechnet das PRESOMEN steht international auf ziemlich wackeligen Beinen, da das darin enthaltene MPA im Verdacht steht, wesentlich an der leichten Steigerung der Brustkrebsfälle unter einer HT beteiligt zu sein.
Abgesehen davon sind die equinen Östrogene im PRESOMEN wirklich ein Östrogengemisch, das noch aus der Anfangszeit der HT stammt und meines Erachtens wirklich nicht mehr zeitgemäß.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
TomDoc

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13.11.2010, 09:56 Uhr
Antwort

sorry, ein Riesenfehler von mir: im Presomen ist das MEDROGESTOn drin, nicht das MPA!!

Trotzdem, auf meiner Empfehlungsliste steht Presomen nicht drauf, und die erste berühmt-berüchtigte WHI-Studie in Amerika wurde ausschließlich mit Frauen gemacht, die Equine Östrogene eingenommen haben (in Amerika ist auch heute noch eine hochdosierte östrogene Monotherapie auch bei vorhandener Gebärmutter durchaus üblich.
Bitte nochmals um Entschuldigung für meinen hormonellen Lapsus mit dem MPA.
Ihr
TomDoc

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14.11.2010, 01:45 Uhr
Antwort

Hallo,

danke, dass Sie das noch mal so drastisch dargestellt haben. Es zeigt doch, welch großer Handlingsbedarf in Deutschland bzgl. der HT besteht. Dass wir Frauen uns noch nicht einmal auf die Verordnungen von der Deutschen Gesellschaft für Menopause verlassen können, ist schon sehr bemerkenswert.

Viele Grüße

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14.11.2010, 01:47 Uhr
Antwort

sorry, ich wollte auf diesen Text antworten.

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15.11.2010, 11:47 Uhr
Antwort

Hallo,
es gibt Richtlinien, die mehrheitlich beschlossen wurden.
Zur Zeit sind dies die S3-Richtlinien zur Hormontherapie.
Dass ich als Arzt mit wissenschaftlicher Ausbildung nicht zur Beschlussmehrheit gehören muss, ist meine persönliche Freiheit und Entscheidung: es ist für mich unlogisch und nicht nachvollziehbar, dass z.B die HT für eine Frau, deren Gebärmutter
entfernt wurde, oder bei einer Frau nach einer Total-OP (Gebärmutter- und Eierstockentfernung), egal welchen Alters entsprechend den S3-Richtlinien lediglich ein Östrogenersatz vorgesehen ist.
Und es ist für mich auch nicht nachzuvollziehen, dass statt der international akzeptierten modernsten Form der HT mit natürlichen Hormonen immer noch die Hormone empfohlen werden, mit denen die Frauen behandelt wurden, die an der WHI-Studie beteiligt waren.
...
Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!
Und eine andere Meinung zu haben, die ich für mich begründen kann, darf ich auch äußern.
Immer bei der gleichen Meinung bleiben, ist nicht unbedingt ein Zeichen von Stärke. Und seine Meinung zu ändern, ist nicht unbedingt ein Zeichen von Schwäche.
...
Synthetische Hormone haben ganz sicher ihre Berechtigung; denn nicht jede Frau kommt mit natürlichen Hormonen wirklich optimal zurecht: meine Frau ist 62 und nimmt eine HT mit synthetischem Gestagen ein, weil es mit natürlichem PG nicht ging und ohne Hormone erst recht nicht.
Hormontherapiene in den natürlichen WJ sind immer die letzte Lösung, wenn alles Andere versagt, Beschwerden nicht zu ertragen sind und die Lebensqualität beeinträchtigt ist.
Hormone sind nicht die Schulspeisung für jede Frau auf dem Weg durch die Wechseljahre.

Auch wenn die Schönheitschirurgie heutzutage Frauen mit geklonten Gesichtern schafft (das muss doch für eine Frau auf Dauer furchtbar sein, ständig unbekannten Zwillingsschwestern zu begegnen, mit gleicher Nase, gleichem Mund, mit gleicher Lippenaufspritzung, gleichen Augenlidern, gleichen Wangenknochen, gleicher Brustgröße und gleichem Haaransatz), unterscheiden sich Frauen immer noch ganz gewaltig.
Und dies sollte auch in der Behandlung möglichst berücksichtigt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
TomDoc

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