Wertes Expertenteam,
heute bin ich zufällig auf dieses Forum gekommen und erhoffe mir hier Hilfe zu folgendem Problem:
Im Dezember 2004 erkrankte ich an einer Streptokokken-Angina, die der Arzt jedoch nicht erkannte und lediglich Paracetamol (?)verordnete. Im Februar 2005 schwollen die Gelenke (besonders sichtbar an Fingern und Knien) sehr schmerzhaft an. Bei der folgenden Blutuntersuchung wurde ein anfänglich vermutetes Gelenkrheuma ausgeschlossen, dafür aber der Hinweis auf eine vorangegangene Streptokokken-Infektion ca. 6 Wochen zuvor gefunden. Es folgte eine sechswöchige (!) Penicillin-Kur mit 3 verschiedenen Penicillin-Sorten. Bis heute leide ich unter sehr schmerzhaften Gelenkbeschwerden - allerdings ausschließlich auf der linken Körperseite: angefangen vom Kopf bis hinunter zum Knöchel. Schmerzmittel, wie Paracetamol, Ibuprofen etc., bringen keine Linderung. Ist dies ausschließlich auf die damals unbehandelte Infektion zurückzuführen? Und gibt es keine Linderungsmöglichkeit - selbst nach fast 2 Jahren nicht? Sportlich betätige ich mich mit Schwimmen, Radfahren und Inlinern - aber danach sind die Schmerzen dann kaum noch zu ertragen.
Außerdem wurde im Sommer 2005 Fibromyalgie diagnostiziert. Alle 18 Tender Points haben angesprochen.
Im Gehirn befindet sich außerdem eine ca. 2 x 5 cm große Arachnoidalzyste (Epidermoid wurde ausgeschlossen), die Druck auf das Kleinhirn ausübt, aber offenbar schon von Geburt an vorhanden ist und als nicht ursächlich für den Schmerz gesehen wird. Messungen der Nervenleitungen waren o. B. Hirnstammmessungen waren bei der 1. Messung grenzwertig, eine Woche später völlig normal (?). Außer Schmerzpräparaten, die nicht ansprachen, aber eine Ataxie verursachten, und Physiotherapie mit anschließender Osteopathie gab es keine Therapie. Das heißt, ich lebe bis heute mit recht extremen Schmerzphasen. Der Schmerz ist immer gegenwärtig, verläuft jedoch in seiner Intensität schubweise. Medikamente nehme ich nur im Notfall ein, aus Angst, mich daran zu gewöhnen und dann gar keine Linderung mehr erfahren zu können. Ansonsten versuche ich es eher mit Entspannungstechniken und -momenten. Jedoch besteht das Leben nicht nur aus Entspannung und zur Zeit befinde ich mich in einer kaum zu ertragenden Schmerz-Phase.
Zu Rheumatologen und Orthopäden wurde ich 2005 bereits überwiesen, Ursachen bzw. Linderungsmöglichkeiten wurden ebenfalls keine gefunden.
Im August 2006 hatte ich obendrein einen schweren Verkehrsunfall, der u. a. ein Schleudertrauma als auch eine leichte Gehirnerschütterung mit -quetschung zur Folge hatte. Seitdem fühlt sich der halbseitige Schmerz im Körper noch verstärkt an, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob das nur Einbildung ist oder eher Zufall. Denn Röntgen und CT waren soweit o. B.
Meine Frage: Was kann ich wirksam gegen den irren Schmerz im Körper tun? Wie lässt es sich erklären, dass dieser Schmerz nur halbseitig auftritt (nur die linke Körperhälfte, die rechte ist völlig o.k.) Kann ich hier nur Symptome bekämpfen oder auch etwas gegen Ursachen tun? Wenn ich nur wüsste, welche Ursache!
Vielen Dank im Voraus.
Halbseitiger Schmerz im Körper
Kategorie: Knochen-Gelenke » Expertenrat Gelenkbeschwerden/Rheuma | Expertenfrage
Antwort
Hallo!
Die aktuellen Beschwerden haben sicher nichts mehr mit dem Streptokokkeninfekt und mit einem damals akuten Infektrheuma zu tun. Ich denke, das ist ausgeheilt, so interpretiere ich Ihre Hinweise darauf, daß Ärzte keine Krankheit finden, denn rheumatische Leiden sind ärztlich gut diagnostizierbar. Ihr Halbseitenproblem deutet auf ein Mittelhirnsyndrom oder Thalamussyndrom hin, d.i. eine Schmerzverarbeitungsstörung im Zentralnervensystem, die z.B. durch Schleudertrauma oder auch als Folge eines Infektes oder durch Übererregbarkeit des Schmerzentrums bei Fibromyalgie auftreten kann. Ich denke, eine klassische medikamentöse Schmerztherapie mit zentral im Nervensystem angreifenden Schmerzmedikamenten könnte am ehesten zu Erfolg führen. Diese Therapie sollte durch einen Neurologen oder einen Anästhesisten mit Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie durchgeführt werden.
Herzlichst
Dr.S.Meske
Antwort
Hallo Frau Dr. Meske!
Erst einmal ganz vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Den Streptokokken-Infekt habe ich deshalb erwähnt, weil zum einen seitdem die Beschwerden bestehen (was ja aber auch zufällig zeitgleich hätte aufgetreten sein können) und zum anderen Neurologen der Auffassung waren, dass, wenn diese Infektion die Ursache ist, die Schmerzproblematik anhaltend bestehen könnte und ich somit damit leben müsste (Schmerzspeicherung im Gehirn). Abfinden möchte ich mich damit aber nicht.
Und richtig: Bis auf die Diagnose Fibromyalgie wurden keine weiteren Diagnosen gestellt und damit leider auch keine Schmerztherapien verordnet.
Klassische medikamentöse Schmerztherapie - was muss ich mir darunter vorstellen? Die Einnahme von Tabletten? Beeinträchtigen diese dann aber nicht auch die Fahrtauglichkeit? Die Präparate, die ich im Sommer 2005 verschrieben bekam (ich weiß leider nicht mehr den Namen), halfen gegen den Schmerz nicht, wirkten aber ansonsten derart, dass die Motorik als auch die Sprache stark verlangsamt waren und vom Neurologen deshalb auch wieder abgesetzt wurden. Inzwischen habe ich auch einen täglichen Arbeitsweg von 104 km zu bewältigen - können dann trotzdem die Schmerzpräparate, wie von Ihnen beschrieben, eingenommen werden?
Momentan ist die Schmerzphase immer noch sehr akut, vor allem der Druck im Hinterkopf. Normalerweise hält so eine akute Phase 2 - 3 Tage an, dann wird es wieder erträglicher. In der Motorik fühle ich mich sehr unsicher - so wie bei einem zu niedrigen Blutdruck (er ist aber normal) und ich habe Probleme mit dem Sehen (doppelt oder verschwommen). Das letzte CT vor 4 Tagen zeigte übrigens keine veränderten Befunde.
Meine Lebensweise ist ansonsten seit 4 Jahren ausgeglichen und positiv; ich halte auch nichts davon, Schmerz zu dramatisieren, zumal ich seit Jahren damit lebe und versuche, das Beste aus allem zu machen. Aber manchmal hilft auch der größte Optimismus nicht weiter und zur Zeit halte ich es kaum noch aus.
Viele Grüße
Conni
Antwort
Hallo Conni!
Bzgl. Fahrtauglichkeit wäre zu sagen, daß Sie sich immer nur fahrtauglich
ans Steuer setzen dürfen. Wenn Sie berichten, daß Sie sich unter Kopfschmerz und mit motorischen Schwierigkeiten sowie Sehstörungen ans Steuer setzen um
104 km zu fahren, dann ist das weder mit Fahrtauglichkeit noch mit Verantwortung für sein eigenes oder fremdes Leben, sowie eigene oder fremde Gesundheit vereinbar.
Sie sind, wenn die Fahrt notwendig ist für Ihre Arbeit aus ärztlicher Sicht für diese Tätigkeit arbeitsunfähig. Anders verhält es sich mit notwendigen Medikamenten. Diese benötigen selbstverständlich eine Gewöhnungsphase, in der man u.U. nicht fahrtauglich ist und sich auch nicht wohl fühlt. Das geht bei verantwortungsvoller Handhabung der Medikamente aber vorüber und mündet in Besserung von Schmerz und Begleiterscheinungen und verbessert letztendlich Lebensqualität und Fahrtauglichkeit.
Hilfreich ist es, in solchen Fällen ein ärztliches Attest mitzuführen, welches Fahrtauglichkeit unter Medikation bescheinigt, bzw. noch besser, ein Testergebnis vom TÜV, welches normale Reaktionsbereitschaft am Simulator belegt.
Klassische Schmerztherapie ist Medikamenteneinnahme mit Kombination von Schmerzbewältigungstechniken, u.U. Psychotherapie, Physiotherapie.
Hauptsache ist aber die Medikamentenbehandlung. Wenn Sie auf ein oder einige Sorten von Schmerzmedikamenten mit unerträglichen Nebenwirkungen reagiert haben kann das an zu hoher Einstiegsdosis, an zu schneller Steigerung oder an der für Sie verkehrten Verstoffwechselung des Präparates liegen.
Medikamentenwechsel, sehr niedriger Einstieg und sehr langsame Steigerung könnten helfen.
Insgesamt bin ich mir, obwohl Sie von momentaner Ausgeglichenheit sprechen, trotz allem nicht sicher, ob Sie nicht doch (zusätzlich) Streßphänomene zeigen, die Sie eher verdrängen, als anzugehen. Denn funktionaler Kopfschmerz mit Koordinations - und Sehstörungen kann auch ein Streßphänomen sein. Ein Gespräch mit dem Psychologen statt mit dem Neurologen wäre vielleicht erwägenswert.
Herzlichst
Dr.Meske
Antwort
Hallo Frau Dr. Meske,
ganz vielen Dank auch für diese ausführliche Antwort.
Lassen Sie mich bitte eines vorweg nehmen: Der Verantwortung im Straßenverkehr bin ich mir durchaus bewusst. Jedoch vom Klinikum, in dem ich mich noch in Nachsorge nach dem Verkehrsunfall befinde, als auch von der Hausärztin und dem Neurologen wurde mir bescheinigt, dass ich wieder voll arbeitsfähig sei. Es ist schwierig, dem etwas entgegenzusetzen, ohne den Anschein von Arbeitsunwillen o. ä. zu erwecken. Zumal dieses Doppelt- und Verschwommensehen sich nicht auf das gesamte Umfeld bezieht, sondern im Kleinen beginnt. Doch die Veränderung/ Verschlechterung ist da und ich möchte den Moment nicht abwarten, bis es auch da akut wird. Anmerken möchte ich auch, dass der Verkehrsunfall in diesem Sommer durch einen nachgewiesenen Defekt im Lenkgetriebe verursacht wurde. Dies ist auch ein wesentlicher Punkt beim Stichwort Stressphänomen. Auch wenn ich inzwischen meinen täglichen Arbeitsweg wieder bewältige, so fühle ich mich dennoch nach wie vor unter Stress, weil mich immer noch die Angst begleitet, dass ein derartiger Unfall wieder passiert. Die Tatsache, dass das Unfall-Fahrzeug verschrottet werden musste und ich nun ein anderes Fahrzeug besitze, hilft mir dabei nicht wirklich. Eine Psychotherapie zur Bewältigung dessen hätte ich sehr gern in Anspruch genommen, wurde aber von Seiten des Klinikums wieder zurückgenommen, da die Ärzte der Auffassung sind, dass ich wieder einen sehr stabilen Eindruck mache.
Zufrieden stellt mich das selbst nicht und so habe ich mir Ende der vergangenen Woche privat eine Therapeutin vermitteln lassen.
Ihre Ausführung heute bestärkt mich nur noch mehr darin, diesen Weg auch noch einmal zu gehen.
Denn diesen bin ich bereits im von Herbst 2003 bis 2004 schon einmal gegangen - ein Jahr, nachdem ich mich aus einer sehr schwierigen Ehe lösen konnte. Sowohl mein Sohn als auch ich befanden uns damals in therapeutischer Behandlung, um Geschehnisse aufzuarbeiten und eben nicht zu verdrängen. Verstehen können, um dann nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich loszulassen - das war es, was ich wollte. Insofern hatte mich auch die Diagnose Fibromyalgie von dem Moment an nicht überrascht, seitdem ich weiß, was genau diese Diagnose eigentlich bedeutet.
Wenn ich also sage, dass ich seit eben diesen 4 Jahren ausgeglichen und harmonisch lebe, dann bedeutet das selbstverständlich nicht, dass es keinerlei Problematiken zu bewältigen gibt. Dennoch lebe ich seit dieser Zeit wesentlich bewusster und entspannter. Glücksgefühle in sich selbst zu finden und zu genießen, ohne die Abhängigkeit davon, ob man sie mit bzw. durch andere erleben kann. Und ich versuche, neben der Aufarbeitung mir vor allem Entspannungsmomente zu schaffen und mich in Entspannungstechniken wie z. B. Qui Gong zu üben.
Vom Kopf her fühle ich mich seit gut einem Jahr völlig wohl, dennoch zeigen die körperlichen Beschwerden keine Besserung. Eher im Gegenteil.
Dass z. B. dieser Schmerz im Kopf und in der linken Körperhälfte immer mehr zunehmen und die Ruhephasen kürzer werden, obendrein dazu zum Teil recht widersprüchliche Aussagen kamen (in der Neurochirurgie wurde mir letztes Jahr z. B. gesagt, das kommt auf jeden Fall vom Gehirn - ohne jede weitere Erklärung bzw. ohne jegliche Therapievorschläge), hatte mich doch verunsichert und vor allem hat es mir nicht geholfen.
Was das Medikament betrifft: Ich konnte den Namen des Präparates noch nicht wieder in Erfahrung bringen, aber ich weiß noch, dass die Dosierung vom Neurologen nach 2 Tagen erhöht wurde und diese Nebenwirkungen sehr schnell auftraten. Schon möglich, dass Dosierung zu schnell erhöht wurde. Der Körper war wie betäubt, der Schmerz allerdings nicht. Es wurde noch ein anderes Medikament ausprobiert, dessen Namen ich allerdings auch nicht mehr weiß, da dieses bereits nach zwei Wochen vom Neurologen wieder abgesetzt wurde und dies eben über ein Jahr her ist. Die klassischen Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol haben nur leider auch nicht gewirkt.
Und so habe ich mir zumindest einen Ansatz von Hilfe von dieser Seite hier versprochen - und ich bin doch sehr froh, dass ich diesen finden konnte. Auch wenn das bedeutet, einen bereits gegangenen Weg noch einmal von vorn zu beginnen.
Vielen Dank für Ihre Mühe.
Viele Grüße,
Conni
Antwort
Hallo Conni!
Danke für Ihre ausführlichen Erläuterungen. Diese komplexe Angelegenheit zeigt genau die vielschichtige Problematik der Fibromyalgie, die letztendlich - so die aktuelle Arbeitshypothese - entsteht durch verschiedene körperliche und seelische Traumata, die das Mittelhirn in der Folge durch Erschöpfung seiner Regelkreisläufe nicht mehr hinreichend verarbeiten kann, und welche dann zum chronischen Schmerz führen.
Eine stützende Psychotherapie halte ich immer für gut, auch wenn man gefestigt erscheint. Man soll es ja auch bleiben. Behandlungsversuche von 2 Wochen und weniger sind eigentlich nicht Schmerztherapiestandart, denn in dieser Zeit ist die Wirkung noch nicht eingetreten, und mögliche Anfangsnebenwirkungen noch nicht beherrscht. Vielleicht wäre es doch sinnvoll, noch einen Versuch zu starten. Ihr Beispiel zeigt leider auch, daß viel zu selten von Arztseite unverträgliche Medikamente dokumentiert werden.
Bei chronischem Schmerz ist das Medikamententagebuch meiner Meinung nach unverzichtbar, da sonst zu viele Wiederholungsfehler passieren.
Alles Gute für Sie und viele schmerzarme Stunden
Dr. S.Meske