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Fr. Dr. Meske - Rückfrage Kniebeschwerden

Kategorie: Knochen-Gelenke » Expertenrat Gelenkbeschwerden/Rheuma | Expertenfrage

26.08.2004 | 09:16 Uhr

Hallo Frau Dr. Meske,

am 19.08 hatte ich schon eine Frage zur Chondropatia patellae meiner Schwester gestellt.

Gestern bekam sie das Ergebnis der MRTs beider Knie und ist nun völlig in Panik und Angst vor möglicherweise künstlichen Kniegelenken irgendwann. Sie ohnehin sehr depressiv.

Daher möchte ich nun doch bei Ihnen mit dem konkreten Befund noch mal nachfragen:

Der Kniechirurg, bei dem meine Schwester im letzten Jahr war, der keine MRTs durchführen wollte und nur
eine krankengymnastische Behandlungsserie mit Betonung des medialseitigen Quadrizepsanteils bei noch stärkeren Beschwerden empfahl, hatte folgenden Befund:

Patello-femorales Schmerzsyndrom, wahrscheinlich mit geringer
retropatellarer Knorpelschädigung beidseits, geringe retropatellare
Krepitation beim Hochkommen aus der Hocke.

Röntgenbild:
Formvariante der Kniescheibe Typ Wiberg III mit geringer Tendenz zur
Lateralisierung, relativ hochstehende und kleine Patella, sonst
unauffälliger Befund


Die MRTs ergaben:

Knie rechts:
Patella-Form Typ II nach Wiberg. Der retropatellare Gelenkknorpel läßt über der lateralen Facette nach dem Patellafirst eine im kraniokaudalen Durchmesser 6 mm messende Signalirregularität erkennen, die bis auf die Grenzlamelle hinab reicht und zu einer minimalen fokalen subchondralen Signalanhebung führt.
In den übrigen Kompatimenten glatter chondraler Überzug.
Kreuz- und Kollateralbandapparat intakt. Kein wesentlicher Gelenkerguß. Keine Baker-Zyste. Keine pathologischen periartikkulären Weichteilprozesse.
Beurteilung: Drittgradige retropatellare Chondropathie mit einem ca 6mm messenden Defekt. Im übrigen alltagsentsprechender unauffälliger kernspintomographischer Befund.

Knie links:
Bei Patella-Form Wiberg Typ III zweitgradiger retropatellarer Knorpelschaden.

Der Orthopäde, der die MRTs veranlasste, empfiehlt nun dringned folgenden Therapie, um den jetzigen Zustand zu halten:
- einmal jährlich eine Spritzenkur mit Go-On-Fertigspritzen (5 Stück) machen
- Dona 200S
- Krankengymnastiche Übungen.
Damit könne der Verschleiß aufgehalten werden.
Zur Frage nach der Infektionsgefahr sagte er, in 15 Jahren in seiner Praxis wäre das bei ihm noch nicht vorgekommen.


Meine Schwester hat nun absolute Panik.

Was ich nicht so ganz verstehe:
Ein drittgradiger Schaden klingt schon nach einem stärkeren Knorpelschaden.
Dennoch hat meine Schwester keine starken Kniebeschwerden und kurioserweise am rechten Knie mit dem drittgradigen Schaden weniger Beschwerden als am linken Knie mit dem zweitgradigen.
Wie ist das erklärbar?

Von der regelmäßigen Spritzenkur raten Sie weiterhin ab?

Wie ist die Prognose, mit so einer Schädigung auch mit 75 noch gut laufen zu können? (Meine Schwester ist 37)

Vielen Dank. Vielleicht gelingt es mir ja mit Ihrer Antwort meine Schwester etwas zu beruhigen.

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26.08.2004, 10:22 Uhr
Antwort

Hallo Reinhard,

Frau Meske wird Ihnen sicher auch noch antworten.
Zunächst einmal wird kein vernünftiger Chirurg Ihrer Schwester im Alter von 37 Jahren zwei künstl. Kniegelenke einsetzen. Dagegen spricht auch, dass sie keine bzw. mäßige Kniebeschwerden hat. Und das ist das wichtigste.
Künstl. Gelenke werden leider nie so gut wie eigene Gelenke und sind nur bei starker Arthrose der letzte Ausweg.
Man operiert auch nie ein MRT mit seinen Befunden, sondern einen Patienten mit seinen Beschwerden. Wenn ein hochgradiger Arthrosepatient kaum Schmerzen verspürt (das gibt es!), weil er z.B. eine gut ausgeprägte Muskulatur hat, dann wäre er dumm sich operieren zu lassen. Jede OP schmerzt und die Zeit hinterher ist ein langer Weg bis zur Heilung mit nicht selten lebenslang verbleibendem Reizknie.
Lassen Sie die Sache erst mal wie sie ist und lassen Sie Ihre Schwester den Rat mit der Krankengymnastik und dem gezielten Muskelaufbau befolgen.
Das kann bessere Erfolge erzielen als OP`s. Wie wäre es für Ihre Schwester mit gelenkschonendem Sport wie Schwimmen oder Radfahren? Das täte Ihrer depressiven Verstimmung auch sehr gut.
Gruß
Sabine

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26.08.2004, 15:46 Uhr
Antwort

Danke für die Antwort, Sabine.

Der Einsatz künstl. Kniegelenke steht jetzt ja garnicht zur Überlegung, da meine Schwester nur leichte Beschwerden hat.

Die Angst meiner Schwester bezieht sich auf die Prognose in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren.

1)
Wie ist der MRT-Befund einzuordnen?
Ist das ein normaler Bildbefund für Patienten in dem Alter mit Chondropatia patellae?

2)
Gibt es Patienten mit einem solchen MRT-Befund, die auch in 10, 20, 30 Jahren noch keine große Arthrose haben?
Wie ist hier die Prognose einer Verschlechterung oder Stabilität des Befunds?

2)
Machen regelmäßige Go-on-Fertigspritzen jedes Jahr jetzt schon Sinn oder erst bei viel stärkeren Beschwerden?
Oder sollte es bei Dona 200 S und Krankengymnastik belassen?

Viele Grüße Reinhard

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26.08.2004, 18:27 Uhr
Antwort

Guten Abend Reinhard!
Da kann ich nur sagen: Nun haben wir den Salat! Der Kernspinbefund auch wenn er noch so dramatisch klingt ist der bildliche Beweis, daß der 1. Arzt Recht hat. leider werden die Bildbefunde in ihrer Beschreibung dramatisiert. und leider dienen sie dazu etwas zu machen, was bar jeder Erkenntnis ist: Die Patelladysplasieklassifizierung nach Wyberg bedeutet keine Erkrankung, Es handelt sich dabei um eine reine Beschreibung der Lage der Kniescheibe zum Oberschenkelknochen. Dabei hat man früher ( vor 30 Jahren) angenommen, daß eine starke Verschiebung der Lage zu frühem Verschleiß führt. Die Wissenschaft hat das inzwischen widerlegt. Die Lage hat nichts mit Schmerz und nichts mit Verschleiß zu tun. Eine Chondropathie ist eine jugendliche Knorpelaufweichung, die ungefährt 20-30% der Menschen haben mit keinen bis starken Schmerzen und ganz ohne Orthopäde geht das auch weg, denn Knorpel heilt! Solange er heilt sieht man im Kernspin ausgedehnte Signaleffekte, die weit über den tatsächlichen Schaden hinausgehen, denn der Kernspin zeigt Flüssigkeitsdifferenzen, daher auch Mehrdurchblutung und mehr Durchsaftung bei Heilung, nicht aber das Ausmaß des reeellen Schadens.Es ist eine Momentaufnahme, die ebenfalls bei Heilung verschwindet. Die Tiefe der darstellbaren Veränderung kann ich nung ebenfalls in Klassen einteilen, das ist wiederrum nur eine Graduierung des Bildes, nicht des Verlaufes nd nicht der Behandlungsbedürftigkeit und korreliert nicht mit dem Schmerz. Eine tiefe Läsion kann bereits n Heilung begriffen sein und nicht schmerzen, eine flache frisch sein und schmerzen. GOON und ähnliche Präparate heilen nicht, wer das behauptet lügt. Weil sie nicht heilen, werden sie auch nicht von der Kasse bezahlt. GOON kann vorübergehend den Gleitfilm verbessern und die entzündlichen Reizungen im Knie verbessern, beides führt zu vorübergehender Schmerzverbesserung ohne Strukturverbesserung. Eine Verhinderung der Arthrose ist nicht belegt. Ob Ihr Othopäde nun in seiner raxis bereits Infekte hatte oder nicht ist irrelevant für die Aufklärungspflicht. Statistisch ist jede Injektion ins Knie eine Verletzung, die alle typischen verletzungsfolgen haben kann. Diese Risiken gilt es gerade bei jungen Menschen abzuwägen. Ich spritze auch GOON: bei 70 jährigen, die die Prothese noch hinauszögern wollen, damit 6-12 Monate der Schmerz nachläßt und erträglich wird. Gerade das junge Alter Ihrer Schwester muß zu vorsichter Therapie führen.Ob Ihre Schwesetr mit 75 Jahren eine Prothese benötigt weiß kein Mensch. Das hängt nicht im geringsten mit den heutigen Beschwerden zusammen. Das ist so, als ob ich nach Blinddarmentfernung voraussagen würde, daß 40 Jahre später an dieser Stelle Divertikel auftreten ( eher typische Darmalterung). Wenn Ihre Schwester sich etwas gutes tun will, dann soll sie ein Heilverfahren anstreben, dort wird Sie sinnvolle Therapie ohne Verletzung erhalten, richtige Lebensführung lernen und die ntige Selbstsicherheit aufbauen auch mal einen körperlichen Schaden zu akzeptieren ohne den Mechaniker zu rufen.
herzlichst
Dr. Meske www.theresienklinik.de

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26.08.2004, 18:29 Uhr
Antwort

Hallo Sabine!
Habe genau so geantwortet, wie Sie es ankündigten.
Einen schönen Tag
S.M. :-)

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26.08.2004, 18:31 Uhr
Antwort

Hall Reinhard!
Sie finden die Antworten in meinem vorangehenden Beitrag. Dona 200 S ist auch als Medikament in seiner Wirkung nicht belegt. Es gibt aber Menschen, die nach Einnahme deutlich schmerzärmer sind. Ich empfehle, da das Medikament nebenwirkungsfrei ist den Behandlungsversuch mit 6 Wochen 3x2 Drg.. Wenn danach keine Besserung kommt, Versuch gescheitert, bei Besserung 3x jährlich Kur wiederholen.
Herzlichst
Dr. S. Meske
www.theresienklinik.de

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27.08.2004, 10:13 Uhr
Antwort

Frau Dr. Meske,

ich möchte mich wirklich ganz herzlich bei Ihnen für diese ausführliche Antwort bedanken und denke, daß damit meine Schwestern nun klar sieht.

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