Hallo Dr. Geppert,
im Zusammenhang mit den Ursachen von Diabetes Typ II /Glukoseintoleranz, detaillierteren diagnostischen Verfahren und Behandlungsmöglichkeiten interessieren mich eine ganze Reihe von Fragen.
möglichst knapp die Zusammenhänge:
durch einen Zufall bin ich auf meine erhöhten Blutzuckerwerte aufmerksam geworden (im oGTT 92 mg/dl nüchtern, 382 nach 1 h, 278 nach 2 h), der Hba1c liegt bei 6,4. Ich bin 32 Jahre alt, 170 cm groß und 58 kg schwer. Meine Ernährung bewegt sich in vernünftigem Rahmen (da ist letztlich nur Haushaltszucker auf Alternativen umzustellen), ich gehe regelmäßig wandern und bewege mich auch im beruflichen Alltag sehr viel.
Meine Schwester ist seit ihrer Jugend Diabetiker Typ I - sonst gab es in den letzten drei Generationen keine entsprechenden Diagnosen.
Seit sechs Jahren nehme ich am Abend 400 mg Seroquel Prolong, dieses habe ich wegen möglicher blutzuckererhöhenden Eigenschaften ausgeschlichen und seit jetzt vier Wochen gar nicht mehr genommen. Aktuell bewegen sich die Blutzuckerspitzen ca. bei 250 mg/dl.
Zu den Fragen:
- wie hoch sind Blutzuckerspitzen eines vollkommen gesunden Stoffwechsels z. b. im oGTT?
- was sind mögliche Ursachen für Diabetes Typ II außer Übergewicht und Bewegungsmangel?
- wie ist der Zusammenhang Blutzucker/Neuroleptika allgemein einzuschätzen? Gibt es laienverständliche Infos im Internet? Kann das Seroquel Prolong (möglicherweise begünstigt durch Veranlagung) irreversiblen Diabetes auslösen? Wie lange dauert es, bis ein entsprechendes (retardiertes) Produkt definitiv gar keinen Einfluß mehr ausübt?
- läßt sich der Fehler" weiter eingrenzen (z. B. Messung der Insulinausschüttung, Überprüfung der Rezeptoren etc) und in wie weit wäre das sinnvoll und ggf. in welchen Schritten?
- wie sind im Handel angebotene Zimtprodukte z. B. in Kombination mit Zink/Chrom/B-Vitaminen zur Blutzuckersenkung zu bewerten? Falls diese überhaupt empfehlenswert sind: worauf ist zu achten?
- wie aussagekräftig ist der Hba1c als "Durchschnittswert"?
- ab welchen Werten sind orale Antidiabetika angezeigt?
laut meinem bisherigen Wissensstand beinhalten alle Neuroleptika zumindest das Potenzial, den Blutzucker zu erhöhen. Gibt es (vielleicht sogar pflanzliche) Alternativen ohne diese Eigenschaft ( für ICD-10 F60.31)?
Zuletzt das wichtigste: wie kann ich regional qualifizierte Ansprechpartner für möglichst beide Fachbereiche gleichzeitig finden? Auf ein persönliches Gespäch werde ich mittelfristig kaum verzichten können.
Herzlichen Dank und viele Grüße
Thuatha
Diabetes/Glukoseintoleranz - Neuroleptika - weiteres Vorgehen
Kategorie: Innere Medizin » Expertenrat Diabetes | Expertenfrage an Experte-Geppert
Antwort von Experte-Geppert
Zu Ihren Fragen:
1.Gelegenheitszucker (= Werte nicht nüchtern bestimmt) von 200 mg/dl (und Symptomen eines Diabetes) werden bereits als krankhaft angesehen.
Wenn ein Diabetes besteht, wird als Ziel eine normnahe Einstellung mit postprandialen (= Blutzucker 1-2 Stunden nach einer Mahlzeit gemessen) Werten von 140 mg/dl empfohlen.
Diese Werte sollten beim Gesunden und bei normalen Mischmahlzeiten vorliegen bzw.beim Diabetiker angestrebt werden.
Natürlich können diese Werte (sicher auch beim Gesunden) überschritten werden, wenn eine große Menge rasch resorbierbarer Zucker eingenommen wird (Traubenzucker, Weintrauben, Cola/Fruchtsäfte, Zucker und zuckerreiche Gebäcke usw.) Dies sollte aber nicht die Regel bei einer normalen Ernährung sein.
2. Als Ursachen für den Typ-II-Diabetes werden die verringerte Insulinwirkung an den Körperzellen und ein zunehmendes Versiegen der Insulinproduktion in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse angesehen. Warum dies passiert, ist letztlich noch nicht geklärt und wird intensiv beforscht. Risikofaktoren für die Entwicklung eines Diabetes Typ 2 sind Übergewicht, geringe Bewegung, fett- und kohlenhydratreiche Ernährung, Fettstoffwechselstörungen, hoher Blutdruck.
Da Sie eher nicht zu dieser Gruppe gehören, sollte bei Ihnen der Diabetes eher hinsichtlich eines Typ1 oder anderer Formen des insulinpflichtigen Diabetes überwacht werden.
3.Für Seroquel wird in der Fachinformation eine Anstieg der Blutzuckerspiegel auf hyperglykämische Werte beschrieben. Eine Aussage dazu wie sich die Zuckerwerte verändern, wäre nur durch Messung der Werte unter Seroquel und ohne Seroquel möglich.
Nach Absetzen des Medikamentes sollten die Zuckerwerte nach wenigen Tagen vom Medikament unbeeinflusst sein. Das Absetzen von Seroquel sollt nur in Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt erfolgen! Zur Möglichkeit einer irreversiblen Schädigung bin ich überfragt.
4. Ein Ausschluss eines Typ1-Diabetes sollte erfolgen (wie oben bereits erwähnt). Dann reichen viertel- bis halbjährliche Kontrolle von Nüchternzucker und HbA1c (bei Auftreten von Symptomen natürlich früher).
5. Nahrungsergänzungsstoffe werden in der Diabetestherapie nicht empfohlen. Es liegen hierzu keine Langzeituntersuchungen vor, die einen günstigen Effekt auf den Diabetes beweisen. Aus den oft beworbenen "günstigen Einflüssen auf den Körper" oder positiven Einzelfallberichten kann auf keinen Fall eine allgemeine Therapieempfehlung abgeleitet werden.
6. Der HbA1c zeigt die durchschnittliche Glukosebelastung im Blut für die letzten 10-12 Wochen an. Für Diabetiker wird ein Ziel von 6,5% angestrebt. Diskutiert wird, den Wert bereits zur Diagnosestellung mir heranzuziehen, wobei ein Wert 5,7% als nicht mehr normal angesehen wird.
7. und 8.(letzte) Frage: Zu pflanzlichen Alternativen sollten Sie mit dem entsprechenden Facharzt sprechen. Einen Ansprechpartner für beide Krankheiten zu finden, wird schwierig werden. Beide Fachkollegen (Diabetologe, Psychiater) sollten aber eng miteinander zusammenarbeiten, um beide Krankheitsbereiche optimal zu behandeln.
Sie haben viele Fragen gestellt und ich vermute, dass noch weiterer Informationsbedarf besteht. Im Rahmen des Forums kann ich nicht auf alle Details eingehen und möchte Sie bitten, Ihre Fragen mit einem Diabetologen
in Ihrer Nähe intensiver zu besprechen.
Viele Grüße - Geppert
Kommentar
Hallo Dr. Geppert,
Danke für die rasche und ausführliche Antwort. Im Internet habe ich bereits eine Liste mit regionalen Diabetologen gefunden, dort werden bestimmt viele weitere Fragen beantwortet. Mein Hausarzt ist sich möglicherweise zu sicher in Sachen Vorstufe von Typ 2 - für mich ist das nicht vollständig schlüssig, deswegen war ich überhaupt auf das Seroquel gekommen.
Viele Grüße
Thuatha