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Bedeutung der Antigenerbsünde für Corona-Schutzimpfung

Kategorie: Infektionen » Expertenrat Coronavirus-Infektionen | Expertenfrage

15.08.2021 | 20:17 Uhr

Guten Tag,

ich möchte zunächst offenlegen, dass ich meine Frage bereits an anderer Stelle gestellt habe, diese aber, ob ihrer Spezifität, auch hier stellen möchte. 

Im Falle der Grippeimpfung wird deren nur mäßige Wirksamkeit (40-60%) der Antigenerbsünde (original antigenic sin, OAS) zugeschrieben. Zwar hat das Coronavirus, welches COVID-19 verursacht, scheinbar weniger Spielraum für strukturelle Veränderungen seiner Oberflächenproteine/Epitome als bspw. Influenza oder HIV. Trotzdem wurden bei Genesenen und Geimpften hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen HCoV-OC43, ein Coronavirus aus der selben Familie wie SARS-CoV-2 oder MERS, gefunden, welches aber im Regelfall nur eine einfache Erkältung verursacht. Das bedeutet, dass Kreuzreaktivität zwischen den verwandten Coronaviren vorhanden ist. Zudem legt eine Studie nahe, dass die vorherige Infektion mit einem SARS-CoV-2 verwandten Virus die Abwehr nicht etwa stärkt, wie ursprünglich angenommen vielfach behauptet, sondern möglicherweise erschwert- eben wegen OAS-Effekten.

Es bleibt also zu hoffen, dass künftige, an die Varianten angepasste Impfungen ihre Wirkung bei Genesenen oder Geimpften überhaupt entfalten können, und die neuerliche Produktion "alter" Antikörper, die gegen mutierte Varianten des Virus ggf. weniger wirksam sind, die Produktion neuer nicht unterdrücken.

Persönlich habe ich einige Vorerkrankungen, weshalb ich an einer 3. Auffrischimpfung interessiert bin, sollte diese empfohlen und autorisiert werden. Diese würden voraussichtlich im Herbst mit Impfstoffen der 1. Generation durchgeführt werden. Ich bin mir aber unsicher, ob die Kosten-Nutzen-Rechnung im Angesicht der Möglichkeit von OAS-Effekten bei zukünftigen Varianten und Impfstoffen aufgeht. Deshalb meine Frage: Ist es möglich, dass mit einer 3. Impfung mit Impfstoffen der 1. Generation die Fokussierung auf bestimmte Epitome/Oberflächenproteine des Virus im Hinblick auf künftige Mutationen auf problematische Weise "eingeschleift" wird? Welche Einschätzungen haben Sie dazu?

Einen aufschlussreichen Beitrag zu diesem Thema finden geneigte Mitleser hier.

Beste Grüße!
Caleb

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Bisherige Antworten
Experte-Leidel
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16.08.2021, 13:16 Uhr
Antwort von Experte-Leidel

Guten Tag Caleb 2142,

diese ziemlich wissenschaftliche Frage sprengt etwas den Rahmen dieses Forums. Aber ich will kurz darauf eingehen:

Die Theorie von der original antigenic sin (OAS) muss nicht immer greifen. Schon 2008 haben Wrammert et al. in Nature ausgeführt: "Thus, OAS does not seem to be a common occurrence in normal, healthy adults receiving influenza vaccination."

Und speziell zu SARS-CoV-2 heißt es unter

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1007566/S1335_Long_term_evolution_of_SARS-CoV-2.pdf#page=3

"Antigenic sin has not yet been reported for SARS-CoV-2 so we consider this possibility less likely." 

Aber Ihre Überlegungen sind natürlich richtig. Und der Freiburger Virologe Hartmut Hengel hält die Klärung von OAS bei SARS-CoV-2 für eine der wichtigsten Forschungsaufgabe im Zusammenhang mit diesem Virus.

Ich würde ihnen auf jeden Fall empfehlen, sich die Auffrischung, die kommen wird, geben zu lassen. Ich werde das auch tun. Und ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass dadurch die bisher erreichte Abwehr verschlechtert würde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Leidel

 

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Die wichtigsten Fakten zum Coronavirus im Überblick und der aktuelle Impfstatus in Deutschland →

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